Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi
war, Dybbuk zu überreden, seine Schwester Faustina zu retten, so wie John sie selbst einmal gerettet hatte. Da sie Dybbuk kannte, hatte sie diesbezüglich ihre Zweifel. Und so kam es, dass Philippa auf ihrem Weg ins Krankenhaus, wo sie Mrs Trump besuchen wollte, vor einen Bus lief.
Der Bus der Linie Vier war auf dem Weg die Madison Avenuehinauf. Er fuhr ziemlich schnell und es gab keinen offensichtlichen Grund, warum Philippa ihn nicht herankommen hörte oder warum sie sich nicht umsah, bevor sie auf die Straße trat, um einem Mann und seinem Hund auszuweichen, die ihr entgegenkamen.
Normalerweise wäre sie wohl ums Leben gekommen. Die Busse in Manhattan kennen bekanntlich keine Gnade mit Menschen, die ihnen in die Quere kommen. Ganz besonders die Busse der Linie Vier. (Im Chinesischen ist die Vier eine Unglückszahl, da sie genauso ausgesprochen wird wie das Wort »Tod«, was auch erklärt, warum man nur selten Chinesen in einem Bus Nummer vier die Madison Avenue hinauffahren sieht.) Glücklicherweise wurde Philippa weder überfahren noch getötet. Ein berittener Polizist, der zufällig vorbeikam, galoppierte auf sie zu, packte sie am Kragen, zerrte sie aus der Bahn des herannahenden Busses und rettete ihr das Leben.
»Was, zum Teufel, hast du dir dabei gedacht?«, schrie er, als sie wieder sicher auf dem Bürgersteig stand. »Du hättest umkommen können, so achtlos, wie du über die Straße gelaufen bist.« Das Gesicht des Polizisten hatte Ähnlichkeit mit einem Ziegelstein, es war ebenso kantig, rot und hart.
»Tut mir leid«, sagte Philippa mit zittrigen Knien, als ihr zu dämmern begann, wie knapp sie gerade davongekommen war. Sie setzte sich in den Eingang eines teuren französischen Restaurants.
»Das glaub ich dir aufs Wort, du dumme Göre!«, schrie der Polizist. Er stieg von seinem Pferd, band es an einer Straßenlaterne fest und setzte sein Gebrüll fort. »Das glaub ich wohl, du lebensmüdes Gör.« Er zückte Block und Bleistift. »Ich verpassedir einen Strafzettel, damit du das nächste Mal besser aufpasst.«
Es sind nicht immer die nettesten Menschen, die uns das Leben retten. Oder die am ehesten Glück verdient haben. Trotzdem wusste Philippa, dass sie als guter Dschinn nun die feierliche Pflicht hatte, diesen Polizisten auf traditionelle Weise zu belohnen.
»Ich werde Ihnen auch etwas geben«, sagte Philippa.
»Ach ja?«, sagte der Mann und begann ihr einen Strafzettel für verkehrswidriges Verhalten auszustellen. »Und das wäre?«
»Drei Wünsche«, sagte sie.
»Drei Wünsche?«, wiederholte er grinsend. »Ich wünschte, ich hätte drei Wünsche. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr. Du bist wohl ein Flaschengeist, was?«
»So etwas Ähnliches. Sie haben übrigens immer noch drei Wünsche frei. Der erste Wunsch, den Sie ausgesprochen haben, ist ein auf falscher Kausalität beruhender logischer Trugschluss. Etwas, das Sie bereits haben, können Sie sich nicht mehr wünschen, weil ich Ihnen nicht mehr geben kann, was ich Ihnen bereits gegeben habe. Wenn Sie aber einen Wunsch verschwenden wollen, kann ich Ihnen beweisen, dass Sie wirklich drei Wünsche frei haben, Officer. Obwohl Sie dann natürlich nur noch zwei Wünsche frei hätten.«
»Ich wünschte, ich hätte eine Ahnung, wovon du eigentlich redest, Mädchen«, sagte der Polizist.
»FABELHAFTIGANTISCHWUNDERLICHERICH!«
Und mit einem Mal wusste der Polizist, wovon Philippa redete. »Heiliger Strohsack«, sagte er. »Du bist tatsächlich ein Dschinn.«
»Sie haben mir das Leben gerettet«, sagte Philippa. »Ich stehe in Ihrer Schuld. Obwohl Sie ein ziemlicher Armleuchter sind – ich hoffe, Sie nehmen mir meine Offenheit nicht übel –, muss ich Ihnen drei Wünsche erfüllen. Oder genauer gesagt, zwei, da Sie einen bereits ausgesprochen haben. Aber jetzt seien Sie bitte vorsichtig. Bei Ihrem Mundwerk kann es passieren, dass Sie die restlichen beiden damit verplempern, sich einen gescheiten Einfall zu ›wünschen‹. Das wäre nicht das erste Mal, glauben Sie mir.«
Der Polizist nahm seinen Helm ab und kratzte sich am Kopf. »Du hast recht«, sagte er. »Ich bin ein Armleuchter. Ich wünschte, ich wäre keiner, aber was soll ich machen? So wird man nun mal, wenn man häufig mit anderen Armleuchtern zu tun hat. Manchmal holt dieser Job wirklich das Schlechteste aus mir heraus.«
»Jetzt nicht mehr«, sagte Philippa, murmelte ihr Fokuswort und erfüllte dem Polizisten seinen Wunsch.
Augenblicklich veränderte sich
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