Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi
nicht viel taugen, für wertloses Zeug. Das ist Gekröse.«
»Das verstehe ich gut«, sagte Philippa. »Aber wie kamt ihr dazu, die Eingeweide von Kälbern zu essen?«
»Oh, gut zubereitetes Gekröse ist ein wahrer Leckerbissen«, behauptete Groanin. »Selbst die Hunde sind ganz versessen darauf. Ich könnte euren Metzger bitten, mir ein bisschen Gekröse zu besorgen, wenn du es gern einmal probieren möchtest.«
»Nein, vielen Dank«, sagte Philippa hastig und dachte insgeheim, dass die Menschen bei dem, was sie an Abscheulichkeiten zu essen bereit waren, scheinbar keine Grenzen kannten. Dennoch erschien ihr Gänseleberpastete nicht halb so widerlich wie Gekröse; und sie erklärte Groanin, dass es ihr doch ein wenig merkwürdig vorkomme, dass ein Mann, der in Ländern mit zweifelhaften hygienischen Zuständen grundsätzlich nur Babynahrung zu sich nahm, frohen Herzens Gekröse aß.
»Mit Babynahrung kann man nichts verkehrt machen«, sagte Groanin. »Nicht, wenn die Alternative aus exotischem Fraß und Durchfall besteht. Oder hast du schon mal gehört, dass ein Baby in einem Chinarestaurant sein Essen zurückschickt, weil es irgendwie komisch schmeckt?«
»Babys essen nicht in Chinarestaurants«, sagte Philippa.
»Eben«, sagte Groanin.
Philippa schaltete den Fernseher aus. »Lassen Sie uns rausgehen«, sagte sie. Nach all dem Gerede über Gekröse brauchte sie ein wenig frische Luft.
»Was ist mit deinem Vater?«, fragte Groanin, der nicht sonderlich erpicht darauf war, in Manhattan herumzuspazieren.
»Doc passt auf ihn auf. Es geht ihm schon viel besser.«
»Ein Wunder, was die Frau alles fertigbringt«, sagte Groanin, dem Marion Morrison besser gefiel, als er Philippa jemals eingestehen würde.
»Ich weiß«, sagte sie. »Gehen wir ins Metropolitan Museum. Dort stellen sie einen der berühmten Terrakottakrieger als Leihgabe aus China aus. Den wollte ich mir schon lange ansehen. Außerdem gibt es im Met jede Menge andere coole Sachen. Es wird Ihnen gefallen.«
»Das bezweifle ich«, sagte Groanin und griff nach seinem Mantel. »Falls du dich noch erinnern kannst, habe ich in einem Museum einmal schlimme Erfahrungen gemacht. Ein Tiger hat mir den Arm abgerissen. Trotzdem bin ich dabei, wenn du möchtest.«
Das Metropolitan Museum of Art an der Fifth Avenue lag nur wenige Häuserblocks vom Haus der Gaunts in der East 77 th Street entfernt. Von vorn wirkte es wie ein riesiger Tempel, mit hohen Säulen und einem Treppenaufgang so breit wie ein Fußballfeld. Doch das Museum war wegen eines vierundzwanzigstündigen Streiks der Museumsmitarbeiter geschlossen und auf den Treppenstufen drängten sich Menschen, die Plakate in die Höhe hielten und irgendetwas riefen. Philippa und Mr Groanin blieben stehen, um die Plakate zu lesen, auf denen Slogans standen wie METROPOLITAN MUSEUM DER ANGST, SCHLIESST DIE GEISTERGALERIEN, polterMET und NÄCHTLICHE BESUCHER HEISST: KEINE BESUCHER.
Ein kurzes Gespräch mit einem der Angestellten ergab, dassdie Mitarbeiter streikten, weil es im Met spukte, wie er sagte. Mehrere Angestellte hatten berichtet, im Sackler-Flügel und in der Abteilung für chinesische Kunst im zweiten Stock Geister gehört und gesehen zu haben.
»Meiner Meinung nach wollen die bloß mehr Geld«, meinte Groanin, als er und Philippa wieder nach Hause gingen. »Vermutlich hat einer von den Burschen, die im Met arbeiten, das hier gelesen.« Er zeigte Philippa eine Ausgabe des
Daily Telegraph
vom Vortag und machte sie auf eine Überschrift auf der Titelseite aufmerksam: GESPENSTER ALS URSACHE FÜR STREIK IM BRITISCHEN MUSEUM. Höchstwahrscheinlich hat sich einer gedacht, dies sei ein guter Vorwand, ihre Brötchengeber zur Kasse zu bitten.«
Philippa überflog die Geschichte in Groanins Zeitung, während sie weitergingen. »Ich weiß nicht recht«, sagte sie. »Das hat irgendetwas zu bedeuten. Ich bin mir nur nicht sicher, was.«
Zu Hause stellten Philippa und Groanin fest, dass John und Nimrod aus Las Vegas zurückgekehrt waren. Sie saßen mit Mr Rakshasas im Bibliothekszimmer und besprachen die Ereignisse, die sich im Winter Palace Hotel zugetragen hatten.
»Und was passiert jetzt?«, fragte Philippa, nachdem Bruder und Onkel ihr erklärt hatten, warum ihre Mission erfolglos verlaufen war. »Wir haben zwei Tage verschwendet mit dem Versuch, Dybbuk ins Boot zu holen.«
»Noch ist nichts verloren«, sagte Nimrod. »Einer von euch beiden wird sich an Dybbuks Stelle auf die Suche nach Faustina
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