Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich
vordersten Linien mit den geschmückten Schilden und den mittellangen, leicht gekrümmten Säbeln rückten mehrere Reihen von Bogenschützen zu Fuß nach. Sie waren im offenen Feld stark, im geordneten Nahkampf jedoch kaum zu gebrauchen. Robertos Entscheidung war einfach.
»Signalisiert den taktischen Plan Eins. Die Infanterie soll die Stellung halten, die Kavallerie stößt vor und setzt den Gegnern zu. Bis auf dreißig Schritte herangehen. Die feindlichen Schützen dürfen nicht anhalten und uns mit Pfeilen eindecken.«
Die Flaggen übermittelten die vorher verabredeten Signale. Läufer eilten hinter den Hastati entlang und wiederholten die Befehle. Die Zenturionen und Meister übertönten den Lärm der anrückenden Tsardonier mit lautem Brüllen. Im Zentrum der estoreanischen Linien bildeten acht mit Sarissen bewaffnete Manipel die Phalanx. Sie rückten ein paar Schritte vor, dann knieten sich die vorderen Reihen hin und legten ihre Speere waagerecht an. So rannten die Feinde gegen einen Wald von Dornen an und mussten drei Reihen überwinden, ehe sie überhaupt die ersten Hastati mit einem Schwertstreich erreichen konnten. Vor sich pflanzten die Kämpfer Schilde auf und boten den Pfeilen und Wurfspeeren kaum ein Ziel.
Auf der rechten Seite der Front bereiteten sich Infanteriemanipel auf den Angriff vor. Die vorderen Reihen hielten die Schilde nach vorn, die hinteren hoben sie über die Köpfe und bildeten so einen rundum gepanzerten Verband. Links und rechts hatte die Kavallerie schon mit dem Angriff begonnen. Reserveeinheiten hielten sich bereit, jederzeit einzugreifen. Die Principes und Triarii legten die Kompositbogen an. Vor den Füßen von Hunderten ruhigen, erfahrenen Soldaten der Konkordanz steckten die Pfeile griffbereit im Boden.
Die Ballisten feuerten erneut, die Bolzen fegten durch die Front der tsardonischen Armee und drangen bis in die hinteren Reihen vor. Darauf geriet der Ansturm der erschrockenen Feinde vorübergehend ins Stocken. Inzwischen stießen sie nur noch in mäßigem Tempo und geschlossenen Reihen vor, um der wartenden Streitmacht zu begegnen. Beim Marschieren schlugen sie die Schwerter und Speere gegen die Schilde und stießen Beleidigungen und Kampfrufe aus. Die Lautstärke sollte wohl die geringere Zahl wettmachen.
»Bogenschützen!«, rief Roberto. »Fertigmachen für die Salve.«
Wieder wurden Flaggen geschwenkt und Melder ausgesandt. Die Kämpfer spannten die Bogen. Einen Herzschlag bevor er sein Kommando gab, schossen die tsardonischen Bogenschützen ihre Pfeile ab. Tausende Schäfte flogen über die Linien hinweg und prasselten auf die Schilde der Hastati. Ein Regenschauer aus Eschenholz mit zackigen Spitzen, dicht genug, um jeden Spalt im Schildwall zu finden. Roberto entdeckte einige Lücken; einige Schilde fielen auf die Männer, die sie gerade noch getragen hatten.
»Verdammt, das waren viele Pfeile«, murmelte Roberto. Er rang mit sich, ob er einen Vorstoß signalisieren sollte, obwohl er wusste, dass es keine gute Idee war.
»Stellung halten!« Sein Ruf wurde weitergegeben. Der Schildwall formierte sich neu, die Reihen wurden so schnell wie möglich geschlossen.
Dann kam die Antwort der Konkordanz. Eine Salve zischte hinaus, die Pfeile flogen flüsternd durch die Luft und trafen die marschierenden Tsardonier. Klappernd prallten sie gegen Schilde, schlugen durch Helme und bohrten sich in Arme und Beine. Männer stürzten, einige Schreie zu waren zu hören, aber die Lieder und die Schmähungen rissen nicht ab. Die Gegner erhöhten sogar noch die Marschgeschwindigkeit und hielten, seine eigenen Legionen nachahmend, die Schilde dicht zusammen und über die Köpfe. Wieder flogen Pfeile. Bei jedem zehnten Schritt schossen die Feinde Salven ab, die den Himmel verdunkelten und immer tiefer in die Reihen der Konkordanz schlugen. Seine Bürger fielen, während sich die Heere einander näherten, doch aufsehen der Feinde waren die Verluste größer.
»Haltet die Disziplin«, sagte er halblaut. »Gebt nur nicht nach, zeigt keine Furcht.«
»Decken!«, rief der Zenturio.
Garrelites hielt den Schild schräg über seinen Kopf und machte sich auf den Angriff gefasst. Durch eine winzige Lücke im Schildwall sah er die Pfeile kommen. Ein schrecklicher, tödlicher Regen raste ihm entgegen, sauste knapp über ihn hinweg und prasselte auf die Schilde und Rüstungen. Es klang wie ein Hagelschauer auf dem Blech, doch es war das Kratzen tödlicher Krallen. Die Pfeile prallten von den
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