Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
Vom Netzwerk:
Vorpreschen erlauben durfte, das doch nur zur Niederlage geführt hätte. Die Tsardonier gaben sich damit zufrieden, einfach abzuwarten. Selbst wenn sie von anderen Heeren an der Flanke angegriffen würden, war ihre Zahl groß genug, um sich sicher zu fühlen, zumal sie aus anderen Regionen des Landes Truppen nachführen konnten. Auch wussten sie, dass Khuran ohne einen entscheidenden Durchbruch von Gesteris’ Truppen niemals fallen würde. Es war ein Patt, das die Moral der konkordantischen Kämpfer untergrub, die vor allem möglichst bald ihre Familien und ihre Heimat wieder sehen wollten.
    Gesteris begann den Tag auf die gleiche Weise wie alle anderen während des Feldzuges. Der Weckruf störte die Ruhe im Lager, die Befehle der Zenturionen und Meister mischten sich in das Wiehern der Pferde und das Trampeln von zehntausenden Bürgern, die sich aus ihren Decken befreiten.
    Er lag noch einen Augenblick im Dunklen und lauschte, ehe seine Adjutanten mit Laternen und dem Frühstück kamen, das er beim Ankleiden einnahm. Im trüben Licht der Dochte betrachtete er sein Spiegelbild, die makellos polierte Rüstung, die sauberen grünen Kleider und den dunkelgrünen Mantel, der mit dem estoreanischen Wappen bestickt und mit ineinander verflochtenen Motiven geschmückt war.
    Dann glättete er sein militärisch kurz geschnittenes graues Haar und massierte mit einer Hand sein Gesicht, während er, da er über fünfzig Jahr alt war, an seine mittlerweile drei Jahrzehnte zurückliegende Jugend dachte. Schließlich holte er den Helm mit dem grünen Federbusch und befestigte mit geübten Bewegungen den Riemen unterm Kinn.
    Gesteris’ Truppe war in drei Verbände gegliedert, jeweils einer marschierte zu jeder Furt. Unlängst hatte er auch die Lager aufgeteilt, um den Soldaten den Anmarsch zu erleichtern. Er selbst war im mittleren der drei Lager geblieben, und bei ihm war die Zweite Legion, die Bärenkrallen aus Estorr. Zwischen den Lagern herrschte jedoch ein beständiger Austausch, und er hatte leichte Infanterie und Kavallerie an den Flanken stark konzentriert, um sie rasch zu anderen Orten verlegen können, wenn er einen Angriff an der linken oder rechten Furt vortäuschen wollte. Auch dies hatte jedoch keinen entscheidenden Durchbruch herbeigeführt und die Feinde nicht zu der Schlacht verleiten können, nach der er sich sehnte.
    Er nahm den Appell seiner Truppen und der Kavallerie ab, wünschte ihnen Glück für den beginnenden Tag und betete auf der Wiese vor ihrem Zelt mit der Sprecherin. Stolz und aufrecht ging er und verkörperte mit jedem Zoll die Überzeugung, dass sie bald schon den Feind zur Schlacht stellen und besiegen würden. Bei sich hatte er keinen Zweifel, dass es dazu kommen würde. Nur das Wann machte ihm Sorgen, und ob er vielleicht gezwungen sein würde, Botschaften an die anderen Generäle zu schicken und sie aufzufordern, zu kampieren und auf ihn zu warten. Das wollte er nicht, weil er es als Schande empfunden hätte.
    Gesteris inspizierte einen Manipel der Dreißigsten Ala, den Feuerdrachen aus Gosland, und eine Abteilung Kataphrakten aus seiner eigenen Legion. Er saß auf, gab den Hornbläsern ein Zeichen und führte die Triarii durchs Haupttor hinaus. Es war ein schneller, wenig aufregender Marsch auf der Route Sieben, dem derzeit am wenigsten zerwühlten Weg zum Flussufer. Auch hier war der Schlamm jedoch stellenweise knöcheltief.
    Längs der Strecke war festerer Boden mit Flaggen markiert. Seine Ingenieure hatten vor allen Ausgängen des Lagers wenigstens eine Meile weit provisorische Straßen aus Stein und Hartholz gebaut. Die Rückzugsrouten waren frei und jungfräulich. Sie würden unbenutzt bleiben, solange nicht das Schlimmste eintrat und sie fliehen mussten, um die schwer befestigten Lager zu verteidigen.
    Alles war in Ordnung, alles war an seinem Platz. Nun fehlte nur noch der Kampf, und ihm gingen allmählich die Zeit und die Ideen aus. Ihm war klar, dass er weniger Fantasie besaß als einige der erfinderischen jungen Generäle. Er hatte entsprechendes Getuschel gehört oder glaubte dies jedenfalls selbst. Aber seine Zeit würde kommen. So war es bisher immer gewesen. Seine Rückkehr nach Estorr würde abermals ein Triumphzug werden.
    Das Heer hatte die Triplex Acies genannte Formation eingenommen und erreichte am späten Vormittag die zentrale Furt. Frieden senkte sich nach dem lärmenden Marsch über das Feld. Dreißigtausend Soldaten und Kavalleristen standen da und gaben kaum einen

Weitere Kostenlose Bücher