Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich
Laut von sich, abgesehen höchstens vom Wiehern eines Pferdes, dem Flattern der Bänder und Flaggen im Wind, dem Knattern der Standarte am Pfahl und dem Klirren von Metall.
Vor ihnen, auf der anderen Seite des Flusses, hatten die Tsardonier eine große Truppe zusammengezogen. Wie immer standen die Bogen- und Armbrustschützen ganz vorn, und auch die unzulänglichen Katapulte waren bis dicht ans Ufer gefahren. Es waren kaum noch Schmährufe und Verhöhnungen zu hören. An den beiden anderen Furten wiederholte sich die Szene. Zwischen den Heeren warteten Flaggenmänner und Reiter auf ihre Befehle.
Gesteris blickte zum Himmel, bevor er sein Pferd wie jeden Tag langsam an der Front entlangtraben ließ. Keine Wolke war zu sehen, die Sonne brannte heiß und schien seine Ohnmacht zu verspotten. Seine Rittmeisterin Dina Kell begleitete ihn. Sie war eine aggressive Kavalleristin, deren stumme Unzufriedenheit mit jedem Tag wuchs. Die von ihr vorgeschlagenen Manöver hätten stets große Gefahren und möglicherweise wenig Gewinn nach sich gezogen. Dennoch achtete er ihre Fähigkeiten und ihre Erfahrung. Es kam niemand sonst infrage, der seine Kavallerie hätte befehligen können.
Inzwischen wünschte er sich, er hätte gleich zu Anfang Geschütztürme am Ufer bauen lassen. Das hätte seinen Katapulten und Bailisten genügend Reichweite verliehen, um die Feinde einzudecken. Es war zu spät, um es jetzt noch zu versuchen. Inzwischen war er so oder so gezwungen, sich den Weg über die Furten mit Gewalt zu erkämpfen.
Am Südhimmel, weit entfernt in Richtung der Königsschlucht, erregte etwas seine Aufmerksamkeit. Ein Fleck am Himmel, wie ein dunkler Klecks auf blauer Leinwand. Er runzelte die Stirn. Da unten war nichts. Das Land war trocken, aber der Weg nach Süden und Osten war auf der östlichen Seite der Schlucht für ein großes Heer nicht passierbar. Hunderte von Meilen voll tiefer Klüfte, zackiger Felsen und Zinnen in dichtem Heidekraut, in dem sich nur die allerzähesten Ziegen halten konnten.
Er deutete auf den Fleck. »Meisterin Kell, sagt mir, was Ihr da drüben seht.«
Keils dunkelbraune Augen blickten unter dem Helm mit dem Federbusch hervor. »Da ist Staub in der Luft«, sagte sie mit starkem tundarranischen Akzent. »Wahrscheinlich Verstärkung, die aus dem Seengebiet von Toursan herankommt.« Sie zuckte mit den Achseln. »Eine große Streitmacht dürfte es kaum sein. Jorganesh hat die meisten gebunden, oder nicht?«
»Das teilte man uns mit«, bestätigte Gesteris. »Haben wir da unten Späher?«
»Im Augenblick nicht«, erwiderte Kell. »Da die Brücke zerstört wurde, gibt es dort keinen Übergang. Ich kann aber Reiter aussenden.«
»Tut das.«
Er betrachtete noch einmal die Staubwolke. Es war schwer zu schätzen, wie weit entfernt oder wie groß sie war. Gesteris war nicht sicher, warum, aber er teilte Keils Einschätzung nicht, es handele sich nur um eine bescheidene Verstärkung. Im Dunst unter dieser schimmernden Hitze war einfach alles möglich.
Er zügelte sein Pferd, griff nach hinten und zog eine Karte aus seinen Satteltaschen, die er entfaltete, um die Zeichnungen mit dem zu vergleichen, was er in der Ferne sah. Die Seitenwände der Schlucht erhoben sich steil in den Himmel, im Osten schloss sich felsiges Gebiet an, das zusammen mit der Seenplatte von Toursan die Sudflanke schützte. Der Fluss schlängelte sich fünfzig Meilen weit dahin und verlief auf den letzten zwanzig Meilen pfeilgerade, bevor er sich in die Schlucht stürzte. Pfeilgerade.
Gesteris blinzelte und versuchte, die Staubwolke einzuschätzen, die allerdings nur einen unzulänglichen Aufschluss über die gegnerischen Verstärkungen bieten konnte. Ihr Ausmaß hing unter anderem von den Windverhältnissen am Ausgang der Schlucht ab. Wo er selbst gerade stand, wehte der Wind fast direkt nach Norden, sodass der Staub wahrscheinlich denen vorauseilte, die ihn aufwirbelten. Vielleicht konnte man wenigstens die Entfernung einigermaßen genau bestimmen.
Er packte die Zügel fester und bemühte sich, seine plötzlich aufkommende Angst nicht zu zeigen. Gern hätte er auch sein Spähglas benutzt, doch das hätte nur die Aufmerksamkeit viel zu vieler Soldaten geweckt.
»Schickt die Späher sofort da hinunter«, zischte er an Kell gewandt. »Und sagt ihnen, sie sollen aufpassen. Die Tsardonier sind auf dieser Seite des Tarit.«
Die Überfälle hatten nicht aufgehört, und die Konkordanz tat nichts, als noch mehr von Yurans
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