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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Verteidigungskräften abzuziehen, um die Heere in Tsard zu unterstützen, die offenbar in Schwierigkeiten steckten. Er hatte so viele Grenzbefestigungen wie möglich bemannt und tauschte seine Truppen regelmäßig aus, um den Feinden keinen Anhaltspunkt zu geben, wo sie unbehelligt nach Atreska einfallen konnten. Dies alles konnte das Unvermeidliche jedoch nur hinausschieben.
    Jetzt hielt er die Botschaft der Advokatin in seinen Händen, mit der er gerechnet hatte, und las sie voller Unmut. Seine Weigerung, sich an den Spielen zu beteiligen, war wütend und mit Drohungen gespickt beantwortet worden. Seine Regentschaft hing am seidenen Faden, und Herine Del Aglios suchte nur noch nach einem letzten Vorwand, um ihn abzusetzen.
    »Warum sollte mich das kümmern, wenn mein Volk stirbt und meine Städte brennen?«
    »Mein Herr?«, fragte seine Adjutantin erschrocken.
    »Entschuldige, Megan«, sagte Marschall Yuran. »Ich habe nur laut gedacht.«
    Sie saß hinter ihm und las die neu eingegangenen Bittgesuche. Er wusste schon, was sie enthielten, und war aufgestanden, um auf einen Balkon seiner Burg zu treten und mit wachsendem Unbehagen zu betrachten, in welch schlechtem Zustand sich Haroq befand. Begonnen hatte es bei den Einwohnern der Grenzstädte, die hinter den Stadtmauern Zuflucht suchten. Viele von ihnen hatten von Grausamkeiten der Tsardonier berichtet, und ebenso viele hatten ihn unter Zugzwang gesetzt, auch Prätorin Gorsal aus Gullford. Zu viele drängten ihn, die Konkordanz zu verlassen und die Unabhängigkeit zu erklären.
    Sie hatten gut reden. Für ihn stellte sich die Angelegenheit ungleich komplizierter dar. In seinem ganzen Land waren Truppen der Konkordanz stationiert, ob sie nun zur Front marschierten, von dort zurückkehrten, mit defensiven Aufgaben betraut waren oder zur Aufklärung eingesetzt wurden. Die Aufstände in Atreska nahmen einen großen Teil seiner Zeit in Anspruch. Seine erfahrenen Ratgeber waren allesamt Estoreaner und der Advokatin treu ergeben. Er für seinen Teil glaubte immer noch, dass die Konkordanz in Tsard rasch siegen würde, dass die Versprechungen der Advokatin Wirklichkeit werden würden.
    Dennoch verstand er auch die Verzweiflung seines Volks und erkannte in den Augen der Menschen den Vorwurf, dass er ihnen nicht half. Es tat ihm weh, traf ihn bis ins Mark. Er hatte ihnen vom Ruhm der Konkordanz gepredigt, aber bisher war außer Angst und Tod für viel zu viele Menschen nichts herausgekommen.
    Er war ehrlich überzeugt, alles zu tun, was in seinen Kräften stand. Er hatte Streifen zur tsardonischen Grenze geschickt, die sogar einige schöne Siege errungen hatten. Es schien jedoch, dass die Angreifer viel tiefer als angenommen in sein Land eingedrungen waren, während er nicht über genügend Truppen verfügte, um alle Orte zu sichern, an denen sie zuschlagen konnten. Die Fähigkeit der Tsardonier, ihn nach Belieben fast überall zu treffen, ließ in allen Teilen von Atreska die Panik ausbrechen. Sicherlich arbeiteten sie mit den Rebellen zusammen, und als die Einwohnerschaft von Haroq so weit angewachsen war, dass er die Flüchtlinge außerhalb der Mauern unterbringen musste, hatten die Aufstände begonnen.
    Die Bürger der Stadt hatten sich mit den Vertriebenen verbündet und waren zur Burg marschiert, um Taten zu verlangen. Sie hatten mehr Soldaten im Feld verlangt und ein Ultimatum an Estorr geschickt, dass ihre Loyalität ein Ende haben würde, wenn die Konkordanz sie nicht schützen konnte, wie es die Verfassung vorsah.
    Yuran hatte mit allen Anführern der Volksbewegung gesprochen und ihnen so gut wie möglich die Lage erklärt. Er hatte sie gedrängt, der Konkordanz treu zu bleiben und zu den Göttern zu beten, an die sie glaubten, um Hilfe in dieser schwierigen Zeit zu erbitten. Zwar, so hatte er einräumen müssen, sehe es finster aus, aber der Sieg in Tsard sei nicht mehr fern, und dieses sei gewiss das letzte Jahr des Feldzugs.
    Vorerst hatte er sie beschwichtigen können, aber als die Lebensmittel knapp wurden, da zu viele Felder unbestellt blieben und die Gehöfte verlassen waren, verloren die Menschen die Geduld. Aus Demonstrationen hatten sich Plünderungen entwickelt, und er hatte die Wache von Haroq aussenden müssen, um den Aufruhr niederzuschlagen. Jetzt galt das Kriegsrecht, und eine Ausgangssperre von der Abenddämmerung bis zum Morgen hielt die Schwierigkeiten in Grenzen, aber jeden Tag sah er in anderen Stadtteilen Brände und hörte die gedämpften

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