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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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dritte Furt über. Die Hastati waren die Ersten. Sie lösten sich aus dem Kampfgeschehen und überließen den Tsardoniern den Raum, die unbehelligt bis zu den ungeschützten, unvorbereiteten Legionen vorstoßen konnten und jegliche Hoffnung auf einen geordneten Rückzug zunichte machten.
    Gesteris sah Flaggen, wo die Kommandanten verzweifelt versuchten, ein wenig Ordnung herzustellen. Sie erreichten nichts. Wenige Augenblicke später mussten auch sie kehrtmachen und vor dem tsardonischen Ansturm fliehen, der sie alle zu überwältigen drohte.
    »General«, rief ein Kämpfer seiner Extraordinarii, der neben ihm ritt. »Wir müssen jetzt umkehren. Die Schlacht ist verloren. Wir können sie an den Lagern aufhalten, wenn wir vor ihnen dort sind.«
    Er nickte und trieb sein Pferd wieder an. Tränen schossen ihm in die Augen. Wie hatte das geschehen können? Wo waren seine Späher, was hatten sie ihm zu sagen?
    Der Lärm dröhnte in seinen Ohren, wie ein starker Wind, der um Felsen pfeift. Die Truppen der Konkordanz rannten blindlings zum Lager, die tsardonischen Krieger konnten mit Klingen und Pfeilen ungeschützte Rücken treffen. Die Kavallerie versuchte, die Flucht zu decken, und wurde niedergemacht.
    Wenigstens schossen die Onager nicht mehr.
    Gesteris konnte nichts tun. Die Lagerwaren fünf Meilen entfernt, und die Steppenkavallerie holte schnell auf. Die Konkordanz würde schreckliche Verluste erleiden. So tat Gesteris das Einzige, was er tun konnte. Er trieb sein Pferd an und floh wie alle anderen. Die Ruhmeslieder, die seine Ohren erreichten, wurden in einer fremden Sprache gesungen.

 
29

     
    848. Zyklus Gottes, 1. Tag des Solasauf
    15. Jahr des wahren Aufstiegs
     
    A ls Dina Kell wieder zu sich kam, war das Kampfgeschehen schon weitergezogen. Völlig desorientiert stemmte sie sich auf die Ellenbogen hoch. Sie hatte den Helm verloren, er lag ein paar Fuß entfernt im Schlamm. Durchs niedergetrampelte Gras sah sie reglos liegende Pferde und die zusammengekrümmten Leichen von Menschen. Überall tote Kämpfer der Konkordanz und aus Tsard. Hinter ihr war ein lautes Brüllen zu hören, in ihrer unmittelbaren Umgebung war es eigenartig still. Ein leichter Wind bewegte die Mähnen und die Federbüsche der Helme, sonst rührte sich nichts. Weit entfernt bellten Hunde.
    Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie zwischen den stampfenden Hufen der Kavalleriepferde, den Pfeilen, den Klingen und den taumelnden Körpern auf dem Schlachtfeld gelegen hatte. Obwohl sie sich glücklich schätzen konnte, dass sie noch lebte, war ihre tiefe Verzweiflung sogar stärker als ihre körperlichen Schmerzen und trieb ihr jeden Gedanken an eine glückliche Fügung sofort wieder aus. Als sie mühsam das Gleichgewicht halten konnte, kam sie in die Hocke hoch. Vor ihren Augen verschwamm alles. In der Brust spürte sie einen stechenden Schmerz, ihr rechter Arm hing taub herab. Ein kurzer Blick bestätigte, dass der Schlag mit dem Streitkolben ihren Brustharnisch eingedrückt hatte. Wahrscheinlich waren mehrere Rippen gebrochen. Vermutlich war sie beim Sturz auf dem Arm gelandet. Es spielte keine Rolle.
    Langsam klärte sich Keils Blick, und sie konnte sich umsehen. Links von ihr bewegten sich im Hitzeflimmern einige Gestalten, voraus konnte sie eine dunkle Masse erkennen. Die Heere. Aber sie kämpften nicht mehr, denn Schlachtgeräusche waren nicht zu hören – das vielfältige Klirren von Stahl, das Donnern der Pferdehufe, das Krachen und Pfeifen der Artilleriegeschosse. Sie wollte es nicht glauben, aber es bestand kein Zweifel daran, was geschehen war. Sie ließ die Schultern und den Kopf hängen.
    Jetzt, da sie sich bewegte, nahmen die Schmerzen in der Brust und im Arm zu. Sie versuchte, möglichst flach zu atmen. Sie musste fliehen, sie war zu nahe an den tsardonischen Stellungen und viel zu weit von ihren eigenen Leuten entfernt. Hinter ihr strömte der Fluss dahin, unbeeindruckt von der Katastrophe, die sich an seinem Ufer abgespielt hatte, und von dem Blut, das sich mit seinem Wasser mischte.
    Unter Schmerzen stand Kell endlich ganz auf. Sie war wirklich allein, und dafür musste sie dankbar sein. Das Chaos, während achtzigtausend Bürger durch den Schlamm rannten und die relativ sicheren Lager erreichen wollten, mochte sie sich gar nicht erst vorstellen. Diese Zuflucht war sechs Meilen oder weiter von ihrem derzeitigen Standort entfernt. Wenn es keinen geordneten Rückzug gegeben hatte, musste ein entsetzliches Blutbad entstanden

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