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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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beantworten.«
    »Es sind Eure verheerenden Steuern, die uns angreifbar machen«, zischte Gorsal. »Ihr seid unmittelbar für die Toten hier verantwortlich.«
    Jhered hob das Kinn und war sich wohl bewusst, dass er Yuran und die Prätorin überragte. Warnend hob er einen Zeigefinger, der noch im schwarzen Handschuh steckte.
    »Solche Behauptungen erfordern Beweise. Glücklicherweise habe ich Fachleute dabei, die eure Bücher prüfen und Fehler und Versäumnisse in eurer einheimischen Wirtschaft aufdecken können. Vielleicht gibt es für euch sogar mehr Möglichkeiten, Geld zu verdienen, als ihr selbst denkt. Aber eins nach dem anderen. Ich will eure Stadt besichtigen und mit eigenen Augen die Schäden begutachten und feststellen, welche Besteuerung wir vor diesem Hintergrund im kommenden halben Jahr von euch erwarten können. Falls Ihr mir oder der Konkordanz insgesamt irgendein Fehlverhalten vorzuwerfen habt, solltet Ihr dies innerhalb der Basilika tun. Wir befinden uns im Krieg, alle müssen zu dessen Erfolg beitragen. Jetzt aber sollten wir unsere Kräfte auf etwas Nützliches konzentrieren, statt uns gegenseitig ermüdende Vorwürfe zu machen.«
    Sie würden sich ihm nicht widersetzen. Man durfte die Einnehmer und besonders ihren Anführer nicht zu sehr reizen. Irgendwie waren sie trotz ihres Zorns von seiner Erscheinung beeindruckt. Nur wenige Menschen bekamen Paul Jhered mit eigenen Augen zu sehen, ganz zu schweigen davon, direkt mit ihm zu sprechen. Seit siebzehn Jahren leitete er jetzt die Einnehmer und war mit seinen siebenundvierzig Jahren immer noch ein junger Mann in diesem Amt. Er kannte alle Gerüchte, die über ihn erzählt wurden, und dasjenige, das der Wahrheit am nächsten kam – es betraf seine enorme Körpergröße –, war auch dasjenige, das am stärksten übertrieben wurde. Beispielsweise war er sicher nicht größer als ein Haus. Manchmal wünschte er allerdings, er wäre es.
    Er wandte sich an seine Mitarbeiter, vier Männer und zwei Frauen. Fünf bekleideten als Addos den untersten Rang, einer war vor Kurzem zum Appros befördert worden. Sie alle hatten noch nicht viel Erfahrung mit Reisen zu entlegenen Orten und waren entsprechend nervös.
    »Ich gehe allein durch die Stadt«, sagte er. »Ihr prüft unterdessen die Berichte und Bücher. Zweifellos werdet ihr Geschichten über Not und Elend hören. Haltet euch an die Tatsachen. Bleibt wachsam und sucht in den Hauptbüchern nach Vertuschungen. Notiert alles, was euch auffällt. Ich erwarte von euch eine ehrliche Einschätzung der hier erhobenen Steuern, und ob sie den Leuten wirklich nicht mehr genügend Mittel ließen, um sich zu verteidigen. Unterdessen überlege ich mir, wie viel es kosten wird, Gullford wieder aufzubauen, die Pflanzen neu zu setzen und die Lager aufzufüllen. Wir sollten ihnen, was die Abgaben für das kommende halbe Jahr angeht, wenigstens eine aufmunternde Neuigkeit verkünden, nicht wahr? Gibt es sonst noch Fragen?«
    Sie schüttelten die Köpfe.
    »Gut. Appros Harin, du weißt, wo mein Siegel und meine Befehle sind. Weise dich damit aus, bevor du um Informationen bittest. Tragt keine Waffen. Geht jetzt.«
    »Ja, Herr.«
    Er sah ihnen noch einen Augenblick nach. Sie alle waren gute Schüler. Harin besaß durchaus das Potenzial, später einmal ein hohes Amt zu bekleiden, falls er das anstrengende, hektische Leben als Einnehmer aushielt. Dann drehte Jhered sich um und betrachtete die Stadt vom Forum aus. Er wollte durch die beiden zentralen Straßen laufen, die beide zum Forum führten, und außerdem eine Villa auf dem Hügel und das Haus der Masken aufsuchen. Zwei Stunden Arbeit, kaum mehr. Dann ein langer Abend, an dem er sich die Klagen von Leuten anhören musste, die keine Ahnung hatten, wie die Konkordanz funktionierte.
    Jhered wanderte über das Forum, winkte den Leuten, ihm Platz zu machen, und unterstellte einfach, Yuran und Gorsal würden ihm folgen. Es machte immer einen guten Eindruck, wenn die einheimischen Anführer traben mussten, um mit ihm Schritt zu halten. Die braven Leute von Gullford respektierten ihre Anführer, mussten aber auch verstehen, wer die wahre Autorität verkörperte. Atreska war eine stolze, mächtige Nation, aber vor allem doch eine Dienerin der Estoreanischen Konkordanz.
    So wanderte er mitten auf einer einstmals hübschen, gepflasterten Straße. Überall auf dem Pflaster und in der Gosse lag Abfall herum, die Abflüsse waren verstopft, und auf den getrockneten Blutflecken hatten sich

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