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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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kommende halbe Jahr festgelegt hatte. Er hätte bei ihnen sein sollen. Atreska war noch nicht einmal sechs Jahre Mitglied der Estoreanischen Konkordanz und galt nach wie vor als schwierige Provinz.
    Die Steuererhebung war unzulänglich, und im fernen Norden sowie an den Grenzen zu Gosland und Tsard gab es noch erheblichen Widerstand. Die atreskanischen Steuereinnehmer sträubten sich, wo sie nur konnten, und so hatte Jhered mehr als fünfhundert Einnehmer einsetzen müssen, die das zugegebenermaßen recht komplizierte System inmitten eines hochkochenden Bürgerkrieges einrichten und durchsetzen sollten.
    Die Überfälle und Vorstöße aus Tsard machten es ihm noch schwerer, als es ohnehin schon war. So verstand er, warum er nach Gullford geführt wurde. Er hatte allerdings schon eine Menge gesehen und rechnete auch dieses Mal nicht mit irgendeiner neuen Entwicklung.
    Mit sechs eigenen Leuten und fünfzig atreskanischen Soldaten ritt Jhered zur kleinen Stadt. Seine Kavallerieabteilung war schwer bewaffnet und gerüstet, und in der Hitze des Tages fühlten sich die Männer unwohl. An den Spitzen der aufrecht getragenen Lanzen flatterten die Banner. Die Bogen hatten sie über den Rücken geschlungen, die Schwerter steckten in den Scheiden. Polierte Arm- und Beinschienen, Helme und Brustharnische glänzten in der Sonne.
    Sie hatten auch Wagen im Tross, auf denen sie Notvorräte, eine Feldschmiede und Segeltuch beförderten, um den Obdachlosen eine Unterkunft zu bauen. Es war eine Demonstration der Unterstützung, der Kraft und der Absicht für alle Augen, die es sehen wollten. Thomal Yuran, der Marschallverteidiger von Atreska, war stolz auf sein Land, und Jhered hätte nichts anderes von ihm erwartet.
    Die beiden Männer ritten an der Spitze des Zuges auf der Hauptstraße, die von Haroq nach Tsard führte. Die für die Heere der Konkordanz gebaute Straße verlief nicht weit an Gullford vorbei. Auf beiden Seiten erstreckte sich von der Sonne verbrannte Steppe, vor ihnen ging es leicht bergauf. Am Horizont stiegen links neben der Straße Rauchwolken auf. Die kleine Siedlung war nicht mehr weit entfernt.
    »Dies ist ein friedlicher Ort«, sagte Yuran unvermittelt nach längerem Schweigen. Seine barsche, tiefe Stimme klang unter dem Helm, der am Kinn zu stramm saß und seinen Kiefer beim Sprechen behinderte, etwas gedämpft.
    Jhered, der bolzengerade ritt, drehte sich zu ihm um. Der Schweiß lief unter seinem Helm mit dem Federbusch hervor. Er achtete Yuran wegen dessen Loyalität seinem Volk gegenüber, war aber unendlich frustriert über dessen Weigerung, die Auswirkungen der Unruhen in Atreska auf die gesamte Konkordanz zu begreifen. Wegen Yurans Bedenken und dessen Wunsch, sich vom Imperium abzusondern, hatte er sich gegen die Ernennung des Mannes ausgesprochen. Der Senat in Estorea hatte sich jedoch über seine Bedenken hinweggesetzt, obwohl seiner Ansicht nach sogar die Advokatin selbst gewisse Zweifel hegte. Eine Schande.
    »Das glaube ich gern«, erwiderte Jhered gelassen. »Allerdings weiß ich immer noch nicht, ob es eine kluge Entscheidung war, mich hierher zuführen, Marschall Yuran. Mein Besuch wird nur drei Tage dauern, und in dieser Zeit werde ich mir aufmerksam anhören, welche Sorgen Euch plagen. Allein für diese Reise werden wir jedoch schon zwei Tage unterwegs sein, und Ihr habt noch nicht viel mit mir geredet. Soll ich das so verstehen, dass diese unglückliche Stadt Eure einzige Sorge ist?«
    Yuran drehte sich herum und sah ihn mit schmalen Augen an.
    »Wie immer fürchte ich, die aufgeplusterte Vorstellung von Eurer eigenen Wichtigkeit könnte Euch davon abhalten, den Problemen Gehör zu schenken, die Atreska plagen.«
    Jhered ließ sich nicht anmerken, was in ihm vorging, während Yuran seinen Ängsten Luft machte.
    »Ich führe Euch nach Gullford, weil ich glaube, dass es Eure Ansicht ändern wird, wenn Ihr seht, wie sehr uns die Konkordanz im Stich lässt. Worte könnt Ihr vielleicht ignorieren, Bilder aber nicht.«
    »Ich habe die Folgen der Übergriffe und Überfälle von Banditen öfter gesehen, als es mir lieb ist, Thomal. Ich habe mehr Schlachten geschlagen, als Ihr an Jahren auf Gottes Erde gelebt habt. Wie ich müsst Ihr lernen, solche Ereignisse als schmerzhafte Schritte auf dem schwierigen Weg zu Frieden und Stabilität zu verstehen.«
    Yuran stieß ein kurzes, verbittertes Lachen aus. »Meine Achtung wäre größer, wenn Ihr mit Eurem eigenen Kopf denken würdet. Lasst Euer Herz fühlen,

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