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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Es war ein erstaunlicher Anblick, und Gorian wollte daran teilhaben.
    Er hatte allein im Schatten einer Weide gesessen und die anderen beiden genau beobachtet. Beide waren müde von ihren Anstrengungen und redeten mit Willem, Genna und Hesther, die alles, was sie sagten, genau notierten. Shela, Jen und seine Mutter servierten an den Picknicktischen, die für alle Besucher am Seeufer bereitstanden, zum Mittagessen einen Salat. Marschall Vasselis und seine Frau hielten Hof, während Kovan sich an der Anlegestelle im Wasser produzierte und vor Mirron angab.
    Gorian hatte plötzlich großen Hunger und stand auf. Er lief das kurze Stück am Seeufer entlang über den knirschenden Kies zu den Tischen. Hinter dem großen Bootshaus konnte er eine Kutsche hören. Offenbar ließ sich Vater Kessian von einem seiner Helfer zum See fahren. Jetzt waren alle da. Perfekt.
    Die Kutsche hielt an, und der Diener half Vater Kessian beim Aussteigen. Langsam ging der alte Mann zu den Picknicktischen und stützte sich schwer auf seinen Gehstock. Marschall Vasselis sprang von der Bank auf und umarmte den Vater. Mirron und Arducius ließen ihre Lehrer stehen und folgten seinem Beispiel. Gorian hatte keine Eile, er war ganz zufrieden damit, das weit übers Wasser hallende Lachen Kessians zu hören.
    »Immer vorsichtig mit einem alten Mann«, sagte er. »Einer nach dem anderen, einer nach dem anderen.«
    Mirron und Arducius erzählten aufgeregt von ihren Erfolgen. Gorian blieb an der Anlegestelle stehen und ließ sie plappern. Kovan, der nun nicht mehr beachtet wurde, hatte mit seinen Schwimm- und Tauchdarbietungen aufgehört. Er machte eine unglückliche Miene und hielt sich an einer Strebe des Stegs fest. Gorian lächelte.
    »Du wirst nie einer von uns sein, was? So sehr du es auch versuchst. Damit bist du unwichtig, und das weiß sie. Du verschwendest deine Zeit.«
    »Pass auf, was du sagst«, erwiderte Kovan. »Wenn mein Vater stirbt, werde ich der Marschallverteidiger von Caraduk. Ich werde dann der sein, der über dich herrscht. Über euch alle werde ich herrschen.«
    Fast hätte Gorian über diese Dummheit schallend gelacht. »Niemand wird über mich herrschen.«
    »Gorian?« Kessian rief ihn zu sich.
    Er trottete zu ihm hinüber, der gerade zum Mittagessen neben Marschall Vasselis Platz nahm.
    »Ja, Vater?«
    »Komm, setz dich und erzähle mir, was du heute Morgen gemacht hast.«
    »Ich habe auf dich gewartet«, erwiderte er. Es war die Wahrheit.
    »Oh, und warum?«
    »Ich muss dir etwas zeigen. Nein, euch allen. Aber ich wollte warten, bis du hier bist.«
    Kessian runzelte die Stirn und warf einen fragenden Blick zu Genna, die nur mit den Achseln zucken konnte. »Ich verstehe. Wie ich hörte, warst du recht still und hast da drüben für dich allein gearbeitet. Hast du etwas herausgefunden?«
    »Nein.«
    »Was willst du mir dann zeigen?«
    Gorian wurde wütend, weil der alte Mann an ihm zweifelte. Vasselis bemerkte es und legte Kessian beschwichtigend eine Hand auf den Arm.
    »Nun komm schon, Ardol, lass dir doch von dem Burschen zeigen, was er dir zu zeigen hat. Man kann ja nie wissen, vielleicht überrascht und erfreut es dich.«
    Kessian lächelte, doch seine Zweifel blieben. »Dann fahre fort, Gorian.«
    Gorian entfernte sich zwei Schritte, damit sie ihn alle sehen konnten. Rings um ihn, kurz vor dem Ufer, war das Gras von einem gesunden Dunkelgrün, da es genügend Wasser bekam und von der Sonne gewärmt wurde. Noch einmal vergewisserte er sich, dass alle ihm zuschauten. Vater Kessian, die Autorität, die Aufgestiegenen, Marschall Vasselis. Dann kniete er nieder.
    Seine Hände versanken fast im Gras und spürten, was seine Augen ihm schon gezeigt hatten. Die Pflanzen waren stark und kräftig, denn die Bedingungen für ihr Wachstum waren ideal. Das Gras wuchs dicht, die Halme waren robust. Unter dem Gras spürte er die Wurzeln der Bäume, die den fruchtbaren Boden und die Feuchtigkeit des Sees suchten. Die winzigen Bewegungen der Milben, Insekten, Spinnen und Würmer … alles nahmen seine Finger auf, alles ordnete er im Geist. Er war ein außerordentlich fähiger Herdenmeister und hatte bereits bei der Rettung vieler Tiere auf den Gehöften von Westfallen mitgewirkt. Dies war bisher jedoch seine einzige Fähigkeit gewesen.
    Heute aber gehörte ihm auch die Welt der Landhüter, so eigenartig es war. Er hatte nie daran gezweifelt, dass dies der richtige Augenblick war. Nicht, seit er am Morgen lachend und scherzend hierhergekommen

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