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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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entspricht nicht dem Verlauf der Natur. Es richtet sich gegen Gottes Willen.«
    »Du bist verwirrt, Bryn«, sagte Kessian scharf. »Alle unsere Begabungen, ob sie nur kurz erscheinen oder länger bleiben, entstehen durch Vererbung. Dazu zählt auch deine.«
    Elsa drückte Kessians Schulter und richtete sich auf. »Ich stehe hier vor dir als Leserin des Ordens der Allwissenheit. Mein ganzes Leben habe ich in Gottes Dienst gestellt. Wir haben hier etwas Wunderbares erreicht. Ja, es ist ein Wunder. Gott hat uns hierher geführt, um in seiner Welt das Leben weiterzuentwickeln. Das haben wir getan. Wir haben uns entwickelt und Fortschritte gemacht.«
    Bryn stieß ein kurzes, bellendes Lachen aus und richtete seinen wachsenden Zorn nun auf sie. »Entspricht dies, geschätzte Leserin, tatsächlich dem Glauben deiner Ordensschwestern und Vorgesetzten? Glaubt die Kanzlerin das Gleiche wie du? Hältst du mich tatsächlich für dumm genug, deine Verkündigungen als letzte Wahrheit anzunehmen? Als sie Gorian geschnappt haben, verurteilte der Orden ihn als Ketzer. Hätten sie auch nur die leiseste Ahnung, dass seine Arbeit hier fortgesetzt wird, dann würden sie sofort ihre Heere schicken. Du repräsentierst nicht den Orden der Konkordanz, Elsa Gueran. Du bist eine Marionette der Autorität.«
    Kessian spürte, wie Elsa sich anspannte. Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen, und hockte sich auf die Tischkante.
    »Ich verstehe deinen Standpunkt, Bryn, und ich begreife auch deine Ängste. Aber du irrst dich, wenn du mich für eine Marionette hältst. Ich glaube fest an den wahren Weg des Ordens. Heute ist der Orden stark und scheint alles zu durchdringen, aber hier in Westfallen und in einigen Gebieten der Konkordanz halten wir an den Überzeugungen fest, die zur Gründungszeit des Ordens Bestand hatten. Wir sind überzeugt, dass die Menschen näher an Gott heranrücken sollten. Dass sie aufsteigen und mit Gott eins sein sollen.«
    Bryn hörte nicht zu. Vernunftgründe fielen in einem unvernünftigen Verstand auf unfruchtbaren Boden.
    »Gerade jetzt brauchen wir deine Kraft, mein Freund«, sagte Kessian. »Du hast so hart gearbeitet und so viel gegeben. Jetzt müssen wir zusammenhalten. Schwierige und gefährliche Zeiten stehen uns bevor. Wir brauchen dich.«
    Bryn ließ den Kopf hängen. »Der Orden wird euch wegfegen. Ich mache mich schon viel zu lange schuldig. Jetzt kann ich mich nur noch der Gnade des Allwissenden überantworten.«
    Kessian wandte sich an Elsa, die hilflos den Kopf schüttelte. Sie standen auf.
    »Gönne dir etwas Ruhe, Bryn«, riet Kessian. »Wir schicken jemanden zu dir. Mach dir zu deinem guten Wein etwas zu essen und räume vielleicht ein wenig auf.«
    Bryn hob nicht einmal den Kopf. »Ich habe mich schon genug versündigt. Ich werde niemanden empfangen, den du mir schickst, Vater Kessian.«
    Andreas Koll erwartete sie draußen mit einem traurigen Lächeln.
    »Keine guten Neuigkeiten?«, fragte er.
    »Überhaupt nicht«, sagte Kessian. »Er soll bei Tag und Nacht beobachtet werden und mit niemandem außer Elsa und der Autorität über das sprechen, was er gesehen hat. Wir brauchen vertrauenswürdige Leute, Andreas. Rede mit seinen Freunden und sorge dafür, dass er keinen Außenstehenden begegnet.«
    »Übertreibst du nicht?«, fragte Elsa. »Er stellt doch keine Gefahr dar, er ist nur verwirrt und verängstigt.«
    Kessian runzelte die Stirn. »Du widersprichst dir selbst. Er fleht um Gottes Gnade. Was glaubst du denn, für wen er sie erbittet? Nicht für dich, Elsa. Ein unachtsames Wort, und wir verlieren alles, was wir bisher erreicht haben. Dieses Risiko will ich nicht eingehen. Uns bleibt nichts anderes übrig, wir müssen ihn davon abhalten zu reden.«
    Kessian war seiner Sache sicher und meinte es völlig ernst. Keine Schwäche. Das konnten sie sich nicht erlauben. Nicht jetzt.
    »Wann endet das Solastro-Fest?«, fragte er.
    »In fünf Tagen«, erwiderte Andreas.
    »Das ist eine gefährliche Zeit. Wenn das Fest vorbei ist und die Fremden wieder abreisen, können wir uns an die Stadt wenden. Wir müssen zunächst unter uns selbst das Ausmaß dessen bestimmen, was uns bevorsteht, ehe wir hinsichtlich der restlichen Welt zu einer Entscheidung kommen.« Kessian strich sich mit einer Hand übers Gesicht. Bryns Verhalten hatte ihn zutiefst erschüttert, die Angst des Mannes war fast körperlich spürbar gewesen. Und das bei einem, der bis vor kurzer Zeit hingebungsvoll hinter ihrer Sache gestanden

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