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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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hatte.
    »Elsa, du musst in deinen Schriften nachlesen und alles finden, was für uns spricht. Überlege dir, was du sagen kannst, um die Leute zu beruhigen.«
    »Wir müssen ihnen wohl vorführen, was unsere Aufgestiegenen tun können, oder?«
    »Das lässt sich nicht vermeiden. Bryns Reaktion hat Fragen aufgeworfen, und bis jetzt haben wir keine glaubwürdigen Antworten gegeben. Wir haben die Aufgestiegenen lange genug von den anderen Leuten ferngehalten. Aber wir müssen unseren eigenen Leuten vertrauen. Wenn wir das nicht können, sind wir verloren.«
    »Vielleicht ist Bryn dann doch ein Segen für uns«, sagte Andreas.
    Kessian lächelte über den Landhüter der vierten Linie. Ein starker Mann. »Deine Zuversicht soll uns allen ein Vorbild sein.«
    »Er hat recht«, schaltete sich Elsa ein. »Wir laufen Gefahr, in Selbstmitleid zu versinken, nur weil ein einziger Mann schreckliche Angst hat. Wir wollen nicht das Wunder aus den Augen verlieren, das Mirron und Arducius uns gezeigt haben. Alles, worum wir gebetet haben, wird nun wahr.«
    Kessian nickte. »Aber spürst du nicht auch, wie die Unschuld untergeht?« Er drehte sich um und kehrte zum Hafen zurück. »Ich sollte zum See gehen und mit dem Marschall sprechen. Wir müssen uns jetzt vor allem um unsere Sicherheit kümmern.«

 
10

     
    844. Zyklus Gottes, 43. Tag des Solasauf
    11. Jahr des wahren Aufstiegs
     
    D er zwei Meilen südöstlich von Westfallen gelegene Weidensee versorgte die Stadt mit Frischwasser. Die Leitungen führten bergab bis zu den Springbrunnen der Stadt und in die Häuser der Reichen. Der See war mehr als drei Meilen lang, hatte mehrere schöne Kiesstrände und war an drei Seiten von den Bäumen umgeben, deren Namen er trug und die an seinem Ufer Schatten spendeten. Gespeist wurde er von unterirdischen Bächen und Flüssen, und was er nicht mehr aufnehmen konnte, gab er über den Garret, der in Dürrezeiten gestaut werden konnte, an die Genastrofälle ab.
    Die Einwohner von Westfallen nutzten den See gern zum Angeln, Segeln oder Rudern. Dort waren an diesem Tag auch die Aufgestiegenen, um Mirrons Fähigkeiten weiter auszubauen. Es war ein friedlicher Ort, der sich durchaus mit dem hochgelegenen Obstgarten messen konnte. Marschall Vasselis, seine Frau und sein Sohn hatten sie begleitet, um alles aus erster Hand zu erfahren, während Vater Kessian Bryn Marr aufgesucht hatte.
    Gorian hatte Mirron und jetzt auch Arducius beobachtet, wie sie die erste wahre Verbindung zur Erde hergestellt hatten, worauf beide förmlich aufgeblüht waren. Nur zwei Tage, und sie waren völlig verwandelt. Mirron fürchtete sich, weil sie noch nicht ganz und gar begriff, was sie eigentlich tat. Auch Arducius war ängstlich, doch ihm half sein analytischer Verstand. Voller Faszination erkannte Gorian, dass beide kurz davor standen, ganz neue Begabungen zu entwickeln.
    Arducius hatte aus einem klaren Himmel eine sanfte Brise entstehen lassen. Das war am vergangenen Tag sein Durchbruch gewesen. Heute hatte er auf der Seeoberfläche eine kleine Wassersäule heraufbeschworen. Mirron konnte jetzt unter Wasser atmen und hatte Würmer an die Oberfläche gelockt, einfach indem sie die Hände auf das Land legte. Kleine Siege nur, aber es war, als wären in ihren Köpfen viele Türen aufgegangen.
    Gorian war nicht weit hinter ihnen. Auf jeden Fall war er weiter fortgeschritten als der kränkliche Ossacer. Wie armselig er war. Selbst Arducius besaß trotz seiner spröden Knochen einen starken Geist. Ossacer dagegen war schwach in Geist und Körper und lag immer noch bibbernd und stöhnend im Bett.
    Gorian war im ganzen Leben noch keinen Tag krank gewesen. Er mochte ein wenig zurückgefallen sein, aber er konnte schon spüren, dass auch sein Durchbruch bevorstand. Heute wäre der richtige Tag dafür. Marschall Vasselis war da und hatte sprachlos die kleinen Tricks der beiden anderen begafft. Sein Sohn Kovan war den ganzen Tag nicht von Mirrons Seite gewichen und hatte sie überschwänglich beglückwünscht. Es war der richtige Augenblick für eine Demonstration von Gorian, die alles andere in den Schatten stellte. Er wollte ihnen zeigen, wer der Beste war.
    Es war der frühe Nachmittag eines wundervollen stillen und heißen Tages. Der See war so ruhig, dass man das eigene Spiegelbild kaum schwanken sah, und so klar, dass die Fischschwärme, die Mirron und Jen Shalke durchs Wasser gejagt hatten, wie Bänder aus blitzendem Silber unter der Oberfläche entlanggeglitten waren.

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