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Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann

Titel: Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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und sie fand endlich ihre Stimme wieder.
    Ihre Schreie schlugen alle Vögel in die Flucht.
    »Halt den Mund«, sagte Gorian. »Halt den Mund. Es ist jetzt sowieso zu spät.«
    »Verschwinde«, heulte sie und zerrte wieder an den Wurzeln, die von ihrem Blut glitschig waren. Die Schmerzen zwischen den Beinen wurden stärker und stärker, sie konnte nichts dagegen tun. »Nimm die Wurzeln weg.«
    Nun baute er sich über ihr auf und glättete seine Tunika. »Nur wenn du aufhörst zu jammern.«
    »Gorian! Tritt zur Seite. Sofort.«
    Es war ein Segen, Menas’ Stimme zu hören, und Mirron brach in Tränen aus. Die Einnehmerin kam rasch zu ihnen, sie hatte den Gladius in der Hand. Gorian drehte sich zu ihr um.
    »Warum?«, sagte er.
    »Verschwinde.« Ihre Stimme war kalt und drohend. »Zwinge mich nicht, zur Gewalt zu greifen.«
    »Du kannst mich zu überhaupt nichts zwingen.«
    Er schlenderte zu ihr und kehrte Mirron den Rücken, doch sie spürte die Energien, die in ihm brodelten und ihm neue Kraft verliehen.
    »Sei vorsichtig, Erith«, sagte sie.
    »Ja, sei nur vorsichtig, Erith«, höhnte Gorian.
    Menas blickte traurig Mirron an und hauchte ein tröstendes Wort, ehe sie sich wieder wutentbrannt an Gorian wandte.
    »Du erbärmlicher Rüpel. Willst du dich mit mir anlegen? Ja?«
    Gorian wich zurück, doch sie folgte ihm mit erhobenem Schwert.
    »Ich will dich nicht«, höhnte er. »Du bist keine Aufgestiegene. Nur eine Soldatin. Schwach.«
    »Treib es nicht auf die Spitze, Junge. Entferne sofort die Wurzeln von ihrem Handgelenk.«
    »Oder?« Gorian lachte sie aus. »Was willst du tun? Mich erstechen? Mich? Ich bin ein Aufgestiegener. Du kannst mich nicht verletzen.«
    Menas ging in die Hocke und fegte mit einem vorgestreckten Bein Gorians Füße weg. Er fiel flach auf den Rücken, und bevor er sich auch nur rühren konnte, kniete sie schon auf seiner Brust und hielt ihm das Schwert an die Kehle.
    »Ich brauche keine Waffe, um dir wehzutun«, sagte sie.
    »Ich auch nicht.« Gorian packte sie am Kinn, und sie zuckte zusammen. »Du hast wirklich keine Ahnung, was?«
    Menas keuchte und ließ das Schwert ins Gras fallen. Sie ergriff sein Handgelenk. Mirron wurde übel, als sie es sah. Ihre Energiestrukturen hatten sich vereint und wirbelten umeinander. Doch Menas’ Energien loderten viel zu hell, als sie aus ihr herausströmten, während Gorian langsam und stark pulsierte.
    »Gorian«, flüsterte Mirron. »Nein.«
     
    Es war ein eigenartiges Gefühl. Faszinierend. Menas verlor so schnell ihre Kräfte, es war so leicht. Er trieb ihre Energie durch ihre Venen und Arterien, durch alle Muskeln, Zellen und Knochen, als würde er in den Wurzeln eines Grashalms oder eines Baums die Lebenskraft wecken. Hell flackerte das erzwungene Leben, während er durch die Anstrengung ermüdete. Er fragte sich, ob er nicht ihre Energien nutzen konnte, um sich selbst wieder zu erholen, aber es funktionierte nicht. Der Kreis wollte sich nicht schließen.
    Allerdings konnte er in wenigen Sekunden ihre ganze Lebenskraft auflodern lassen wie bei einer Pflanze. Sie stellte die Versuche, seinen Griff zu lösen, ein und ließ die Hände sinken. Ihre Haare waren lang, dünn und weiß, und ihr Gesicht war runzlig und hatte braune Flecken bekommen. Die Augen trübten sich.
    Irgendwo hörte er Mirron kreischen, doch dadurch ließ er sich nicht beirren. Schließlich öffnete Menas den Mund und flehte keuchend um Gnade. Ihre Zähne waren verfault, die Wangen eingefallen, die Augen lagen tief in den Höhlen. Ein letztes Mal griff sie mit einer faltigen Hand, an der die Fingernägel zu Klauen herangewachsen waren, nach ihm. Schließlich kippte ihr Kopf zur Seite, ihre Lebenslinien zuckten noch einmal und erloschen.
    Er stieß sie von sich, sie blieb auf ihrer Klinge liegen. Dann hob er eine zitternde Hand vor seine Augen und betrachtete die tiefen Falten. Es war, als betrachtete er Vater Kessians Hand. Er war erschöpft und konnte kaum noch stehen, er fühlte sich uralt. Schlimmer als je zuvor. Endlich drehte er sich um und sah Mirron vor sich, die ihn anstarrte. Als ihre Blicke sich trafen, begann sie wieder zu schreien.
    »Nicht«, sagte er. Es gelang ihm nicht, sie mit einem lauten Ruf zum Schweigen zu bringen. Seine Stimme klang müde und gebrochen.
    Auf Händen und Knien kroch er zu ihr. Sie verstummte. Zwischen ihren Beinen war Blut, ihre Augen waren vom Weinen gerötet, das Gesicht feucht. Der Kummer übermannte ihn. Sie war verletzt, sie hatte Schmerzen.

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