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Die Klaue des Schlichters

Die Klaue des Schlichters

Titel: Die Klaue des Schlichters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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verlor dich erst bei dem Zwischenfall im Tor am nächsten Tag aus den Augen. Ich hab’ dich gesehn und hab’ sie gesehn, obschon von ihr nicht mehr viel übrig ist bis aufs Haar, und sogar das ist anders geworden.«
    Merryn fragte die Sibylle: »Soll ich’s ihnen sagen, Mutter?«
    Die Greisin nickte. »Wenn du kannst, Kind.«
    »Ihr wurde ein falscher Glanz verliehen, der sie schön machte. Er verfällt nun, weil sie viel Blut verloren und große Strapazen hinter sich hat. Bis morgen früh werden nur mehr Spuren davon zu sehen sein.«
    Dorcas fuhr auf. »Zauberei, meinst du?«
    »Es gibt keine Zauberei. Es gibt nur Wissen, das mehr oder weniger verborgen ist.«
    Hildegrin betrachtete Jolenta mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck. »Wußte nicht, daß sich das Aussehen so verändern läßt. Wär’ vielleicht nützlich, das wär’s. Kann deine Herrin das?«
    »Sie könnte viel mehr, wenn sie nur wollte.«
    Dorcas flüsterte: »Aber wie wurde das gemacht?«
    »Ihr Blut wurde mit Sekreten gewisser tierischer Drüsen versetzt, um die Einlagerung von Gewebe zu beeinflussen. So bekam sie eine schlanke Taille, Brüste wie Melonen und so weiter. Vielleicht wurden sie auch benutzt, um ihre Waden zu vergrößern. Eine gründliche Reinigung und die Anwendung heilsamer Brühen für die Haut verliehen ihrem Gesicht ein frisches Aussehen. Auch die Zähne wurden gesäubert, und einige wurden abgeschliffen und mit falschen Kronen versehen – eine ist nun, wie man sieht, herausgefallen. Ihr Haar wurde getönt und durch ein eingenähtes Netz farbiger Seifenfäden dichter gemacht. Gewiß wurde auch die Körperbehaarung dauerhaft entfernt, und wenigstens das wird so bleiben. Am allerwichtigsten aber ist, daß ihr, in Trance versetzt, Schönheit eingeredet worden ist. Solche Versprechungen werden mit einer Zuversicht, die größer als die eines jeden Kindes ist, geglaubt, und ihr Glaube hat euch den eurigen abgenötigt.«
    »Kann man nichts für sie tun?« wollte Dorcas wissen.
    »Ich kann’s nicht, und eine Sibylle befaßt sich nicht mit derlei Dingen, außer in höchster Not.«
    »Aber sie wird am Leben bleiben?«
    »Wie Mutter sagte – obwohl sie es gar nicht will.«
    Hildegrin räusperte sich und spuckte über den Rand des Daches. »Das war’ also erledigt. Wir haben für sie getan, was wir können, und mehr können wir nicht tun. Ich würd’ also sagen, packen wir an, wozu wir gekommen sind. Ich geb’ dir recht, Sibylle, es ist gut, daß die hier aufgetaucht sind. Ich hab’ die Nachricht, auf die ich gewartet hab’, und sie sind wie ich Freunde vom Herrn des Laubes. Der junge Mann kann mir helfen, diesen Apu-Punchau raufzuholen, und darüber bin ich recht froh, sind meine zwei Gefährten unterwegs doch umgebracht worden. Was hält uns also t noch ab, anzufangen?«
    »Nichts«, murmelte die Sibylle. »Der Stern steht im Aszendenten.«
    Dorcas meinte: »Wenn wir euch schon helfen sollen, wär’s dann nicht besser, wir wüßten, worum’s geht?«
    »Die Vergangenheit zurückzuholen«, verkündete Hildegrin. »Wieder in die alte Glanzzeit der Urth einzutauchen. In diesem Haus, auf dem wir sitzen, hat einmal jemand gelebt, der Dinge gewußt hat, die von ausschlaggebender Bedeutung sein könnten. Ich will ihn raufholen. Das ist sozusagen der Höhepunkt einer Laufbahn, die in einschlägigen Kreisen als ganz schön spektakulär gilt.«
    Ich fragte: »Du willst das Grab öffnen? Aber selbst mit Alzabo …«
    Die Sibylle streckte die Hand aus und streichelte Jolenta beruhigend die Stirn. »Nennen wir es ein Grab, aber es ist nicht das seine gewesen. Eigentlich sein Haus.«
    »Du wirst’s schon sehn, wenn du an meiner Seite arbeitest«, erklärte Hildegrin. »Hin und wieder hab’ ich dieser Chatelaine einen Gefallen getan. Mehr als einen, wenn ich das sagen darf, und mehr als zwei. Ich hab’ mir gedacht, nun sei es allmählich Zeit zum Abkassieren. Also trug ich meinen kleinen Plan dem Herrn des Waldes vor. Und so sind wir hier.«
    Ich entgegnete: »Soviel ich gehört habe, dient die Sibylle dem Vater Inire.«
    »Sie zahlt ihre Schulden«, eröffnete Hildegrin dünkelhaft. »Wie alles, was etwas taugt. Und man muß keine weise Greisin sein, um zu wissen, daß es klug wäre, ein paar Freunde auf der Gegenseite zu haben – für den Fall, daß diese Seite gewinnt.«
    Dorcas fragte die Sibylle: »Wer war dieser Apu-Punchau, und warum steht sein Palast noch, während der Rest der Stadt dem Erdboden gleich ist?«
    Als die

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