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Die Klaue des Schlichters

Die Klaue des Schlichters

Titel: Die Klaue des Schlichters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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Wegerklärung folgt. Zuweilen fiel das Sonnenlicht auf ihr Gesicht, das mich – falls zufällig im Profil gesehen – so stark an Thecla erinnerte, daß der Anblick mir das Herz aus dem Leib riß. Sie hatte obendrein Theclas Gang, dieses stolze Schreiten eines Phororhacos, der nie hätte eingesperrt werden dürfen.
    »Muß eine wirklich alte Familie sein«, flüsterte ich Jonas zu. »Schau sie an! Wie eine Dryade. Eine wandelnde Weide.«
    »Diese alten Familien sind die jüngsten von allen«, antwortete er. »Im Altertum hat’s so etwas nicht gegeben.«
    Sie war wohl zu weit entfernt, um uns zu verstehen, aber seine Stimme hatte sie offenbar gehört, weil sie in unsere Richtung blickte. Wir winkten, und sie ging schneller und kam, ohne zu rennen, rasch näher, da ihre Schritte so lang waren. Wir standen auf und setzten uns wieder hin, nachdem sie zu uns gelangt und sich im Gras mit dem Gesicht zum Bach niedergelassen hatte.
    »Du sagtest, du habest mir etwas von meiner Schwester zu berichten?« Ihre Stimme ließ sie weniger schrecklich wirken, und im Sitzen war sie kaum größer als wir.
    »Ich war ihr letzter Freund«, erzählte ich. »Sie sagte, Ihr solltet Vodalus überreden, sich auszuliefern, um sie zu retten. Wußtet Ihr, daß sie inhaftiert war?«
    »Warst du ihr Diener?« Thea schien mich mit den Augen abzuwägen. »Ja, ich erfuhr, man habe sie an jenen entsetzlichen Ort in den Elendsvierteln von Nessus gebracht, wo sie meines Wissens schnell starb.«
    Ich dachte an die Zeit, die ich wartend vor Theclas Tür zugebracht hatte, bevor das rote Blutrinnsal darunter hervorsickerte, nickte jedoch.
    »Wie wurde sie verhaftet – weißt du das?«
    Thecla hatte mir die Umstände genau geschildert, und ich gab wieder, was ich von ihr gehört hatte, ohne etwas auszulassen.
    »Ach«, kam es von Thea, nachdem sie eine Weile schweigend den Lauf des Wassers verfolgt hatte. »Ich habe den Hof natürlich vermißt. Höre ich nun von diesen Leuten und diesem Vorgehen, sie einfach in einen Wandteppich zu wickeln, so erinnert es mich an die Gründe, weswegen ich ihn verlassen habe.«
    »Sie hat ihn wohl auch vermißt«, entgegnete ich. »Zumindest hat sie viel davon gesprochen. Allerdings sagte sie mir, daß sie nie mehr zurückginge, würde sie je wieder frei. Sie redete von einem Landhaus, von dem sie ihren Titel hatte, und erzählte, sie wolle es neu ausstatten und dort für die führenden Persönlichkeiten der Gegend Essen abhalten und auf die Jagd gehen.«
    Theas Gesicht verzog sich zu einem bitteren Lächeln. »Ich habe nun genug vom Jagen für zehn Leben. Aber wenn Vodalus Autarch ist, werde ich seine Gemahlin sein. Dann werde ich wieder beim Orchideenborn schreiten, diesmal mit den Töchtern von fünfzig Beglückten im Gefolge, die mich mit ihrem Gesang erfreuen. Genug davon; es dauert mindestens noch einige Monate. Einstweilen habe ich – was ich habe.«
    Schwermütig sah sie Jonas und mich an und erhob sich sehr graziös, wobei sie uns mit einer Geste bedeutete, zu bleiben, wo wir waren. »Es hat mich gefreut, von meiner Halbschwester zu hören. Dieses Haus, von dem du gesprochen hast, gehört nun mir, weißt du, obwohl ich meinen Anspruch derzeit nicht geltend machen kann. Zum Dank und Lohn dafür warne ich euch vor dem Mahl, das uns bald vereinen wird. Offenbar wart ihr nicht empfänglich für die Andeutungen, die Vodalus machte. Habt ihr sie verstanden?«
    Während Jonas schwieg, schüttelte ich den Kopf.
    »Wenn wir und unsere Verbündeten und Herren, die in den Gefilden unter den Fluten warten, siegreich sein wollen, so müssen wir uns alles, was über die Vergangenheit in Erfahrung zu bringen ist, einverleiben. Kennt ihr den analeptischen Alzabo?«
    Ich antwortete: »Nein, Chatelaine, aber ich habe Geschichten über ein Tier dieses Namens gehört. Es kann, wie man sagt, sprechen und kommt des Nachts an ein Haus, worin ein Kind gestorben ist, und bittet schreiend um Einlaß.«
    Thea nickte. »Dieses Tier wurde wie viele andere Dinge zum Nutzen unserer Urth vor langer Zeit von den Sternen gebracht. Es ist ein Raubtier, das nicht mehr Intelligenz als ein Hund hat, vielleicht auch weniger. Aber es ist ein Aasfresser und Grabräuber und kann nach dem Genuß von Menschenfleisch zumindest eine Zeitlang wie ein Mensch sprechen und handeln. Der analeptische Alzabo wird aus einer Drüse in der Schädelbasis dieses Tieres zubereitet. Versteht ihr, was ich meine?«
    Als sie gegangen war, mied Jonas meinen Blick, genauso

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