Die Kleinbürger (German Edition)
abzuzahlen hatte und deshalb sehr sparsam leben mußte, so konnte er sich kein solches Wohlleben gönnen, als daß nicht die Einladung zu einem Diner im »Rocher de Cancale« in seinem bescheidenen Dasein gewissermaßen ein Ereignis gewesen wäre. Er bewies also durch Pünktlichkeit, welchen Wert er auf die Zusammenkunft legte, und erschien um einviertel sieben Uhr in dem Restaurantzimmer, in dem Cérizet ihn bereits erwartete.
»Es ist drollig,« sagte er, »nun sind wir wieder in der gleichen Situation zusammen wie damals, als unsere Geschäftsbeziehungen mit la Peyrade begannen; nur der Ort für die Dreikaiserzusammenkunft ist etwas vornehmer gewählt, und es ist mir sehr recht, daß das Tilsit der Rue Montorgueil an die Stelle des Tilsits der Rue l'Ancienne-Comédie, dieses traurigen Restaurants Pinson, getreten ist.« »Ich weiß aber wahrhaftig nicht, ob das erzielte Resultat diese Veränderung rechtfertigt, denn was haben wir eigentlich schon für Vorteile durch die Bildung unseres Triumvirats gehabt?«
»Nun,« sagte Dutocq, »es war ja schließlich ein Termingeschäft. Und man kann nicht sagen, daß la Peyrade viel Zeit dabei verloren hat, seine Übersiedelung in die ›Tuilerien‹, wenn ich mir diesen Kalauer erlauben darf, zu bewirken. Der Junge ist, das muß man zugeben, nicht übel vorwärts gekommen.«
»Doch nicht so schnell,« sagte Cérizet, »daß seine Heirat nicht gerade jetzt aufs stärkste in Frage gestellt ist.«
»Wie denn? In Frage gestellt?«
»Jawohl, und ich bin beauftragt, ihm eine Partie auf anderer Grundlage vorzuschlagen, bei der es mir sehr zweifelhaft ist, ob ihm überhaupt die Wahl freisteht.«
»Aber verdammt nochmal, wie können Sie, mein Lieber, sich einfallen lassen, für eine andere Heirat sich ins Zeug zu legen, wenn wir eine Hypothek auf die erste haben?«
»Lieber Freund, man ist nicht immer Herr über die Verhältnisse; ich habe gesehen, daß durch die Kombination, die sich darbot, das Projekt, das wir eingefädelt haben, zu Wasser werden muß; ich habe also versucht, aus der andern Sache herauszuschlagen, was sich herausschlagen läßt.«
»Wetter nochmal, man reißt sich also um Theodosius? Und was ist das für eine Partie? Hat sie Vermögen?«
»Die Mitgift ist sehr anständig und wiegt die von Fräulein Colleville bei weitem auf.«
»Dann ist es mir egal; la Peyrade hat die Wechsel ausgestellt, er muß zahlen.«
»Er muß zahlen, er muß zahlen ... Das ist eben die Frage. Sie sind kein Kaufmann, Theodosius ebensowenig; er kann auf den Gedanken kommen, die Gültigkeit der Wechsel zu bestreiten. Wer sagt Ihnen, ob das Gericht mit Rücksicht auf ihre Unterlage und falls die Ehe Thuillier nicht zustande kommt, die Wechsel nicht für ungültig erklärt, als eine Schuldverpflichtung ohne Gegenleistung. Was mich anlangt, ich würde auf einen solchen Einspruch pfeifen: ich habe nichts aufs Spiel zu setzen, und meine Vorkehrungen sind im übrigen getroffen; aber Sie, ein Gerichtsvollzieher beim Friedensgericht, müssen Sie sich nicht vorsehen, daß der Kanzleigerichtshof nicht mit Ihnen aus Anlaß eines solchen Prozesses ein Hühnchen wird pflücken wollen?«
»Wissen Sie, mein Lieber,« sagte Dutocq ärgerlich wie ein Mensch, der sich Gründen gegenüber sieht, gegen die er nichts einzuwenden weiß, »Sie haben eine Art, die Dinge durcheinander zu werfen und sich einzumischen ...«
»Ich wiederhole Ihnen,« sagte Cérizet »daß diese Sache an mich herangetreten ist, und ich habe gleich von Anfang an eingesehen, daß gegen die schlimme Wirkung, die sie für uns haben mußte, nicht anzukämpfen war; ich habe mich daher entschlossen, mich herauszuretten, indem ich ein Opfer brachte.«
»Und worin besteht dieses Opfer?«
»Nun, ich habe meine Forderung verkauft und den Käufern die Sorge überlassen, wie sie sich mit dem Herrn Advokaten herumschlagen wollen.«
»Aber wer ist der Käufer?«
»Wer anders sollte sich wohl an meine Stelle gesetzt haben, als die Leute, die ein genügendes Interesse an dem Zustandekommen der anderen Heirat haben, um Herrn Theodosius eventuell selbst durch körperlichen Zwang dazu zu bringen?«
»Dann brauchen Sie also meine Wechsel ebenso nötig?«
»Zweifellos, aber ich habe darüber nicht verfügen wollen, bevor ich Ihre Ansicht gehört habe.«
»Und wieviel bieten sie?«
»Nun, dasselbe, mein Lieber, womit ich mich zufrieden erklärt habe: da ich die Gefahr dieser Konkurrenz deutlicher als Sie erkannte, so habe ich mich
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