Die Kleinbürger (German Edition)
bin.«
»Ich bin im Gegenteil der Ansicht, daß du an Terrain verloren hast, und zwar sehr einfach deshalb: du hast den Leuten einen Riesendienst geleistet, das verzeiht man nicht.«
»Nun, wir werden ja sehen,« sagte la Peyrade; »ich habe auch noch andere Eisen bei ihnen im Feuer.«
»Nein, ernsthaft, du hast Wunder was zu tun geglaubt, indem du sie mit Wohltaten überhäuftest, und jetzt, wo sie dich nicht mehr brauchen, geben sie dir einen Fußtritt; so sind die Menschen und vor allem die Bourgeois; ich sage das, siehst du, nicht etwa deshalb, weil ich den Schaden zu tragen habe, wenn du, wie ich merke, beiseite geschoben wirst; aber an deiner Stelle würde ich fürchten, keinen sicheren Boden mehr unter den Füßen zu haben, und wenn sich mir die Möglichkeit böte, umzukehren ...«
»Wie? Weil ich dir deinen Mietvertrag nicht habe verschaffen können, soll ich die Flinte ins Korn werfen?«
»Ich wiederhole dir,« sagte Cérizet, »daß ich die Sache nicht von meinem Interessenstandpunkte aus betrachte; aber da ich nicht zweifle, daß du als wahrer Freund alle nur möglichen Anstrengungen gemacht hast, um einen Erfolg zu erzielen, so sehe ich in der Art, wie man dich abgewiesen hat, ein sehr beunruhigendes Symptom; und das bestimmt mich, dir etwas mitzuteilen, wovon ich sonst nicht gesprochen hätte, weil ich der Meinung bin, daß man, wenn man ein bestimmtes Ziel vor Augen hat, darauf losgehen muß, ohne nach rechts oder links zu sehen und ohne sich durch irgendein anderes Bestreben davon abbringen zu lassen.«
»Also bitte,« sagte la Peyrade, »was soll das viele Gerede? Was hast du mir vorzuschlagen? Und wieviel soll es kosten?«
»Mein Lieber,« antwortete Cérizet, ohne diese Unverschämtheit zu beachten, »du selbst wirst am besten zu würdigen wissen, was es heißt, ein gut erzogenes, schönes, talentvolles junges Mädchen zu finden, dessen Mitgift der Celestes mindestens gleichkommt, die sie aber aus erster Hand besitzt; dazu noch einen Diamantschmuck im Werte von hundertfünfzigtausend Franken wie Fräulein Georges auf dem Theaterzettel in der Provinz, und die, was einen Mann von deinem Ehrgeiz besonders reizen müßte, in der Lage ist, ihrem Manne eine politische Stellung zu verschaffen.
»Und einen solchen Schatz hast du in der Hand?« fragte la Peyrade mit ungläubigem Gesicht.
»Mehr als das, ich bin autorisiert, ihn dir anzubieten, ich möchte beinahe sagen: ich bin damit beauftragt.«
»Du machst dich wohl über mich lustig, lieber Freund, es sei denn, daß dieser Phönix mit irgendeinem unmöglichen schlimmen Fehler behaftet ist ...«
»Ich gebe zu, daß ein kleiner Mangel vorhanden ist, nicht in bezug auf die Familie, denn, ehrlich gesagt, die junge Person hat keine.«
»Ach so!« sagte la Peyrade, »ein uneheliches Kind ... und weiter?«
»Weiter? sie ist schon etwas alte Jungfer, sie kann gut neunundzwanzig sein; aber ein ältliches Mädchen kann man sich sehr leicht als junge Witwe vorstellen.«
»Und ist das alles Schlimme?«
»Jawohl, alles, was unabänderlich ist.«
»Was meinst du damit? Muß ihr auch noch eine künstliche Nase angesetzt werden?«
Zu Cérizet gesagt, hatte diese Bemerkung etwas direkt Aggressives, übrigens machte sich seit Beginn des Diners dieser Ton bei allem, was der Advokat äußerte, deutlich bemerkbar. Aber es lag nicht im Interesse seiner Unterhändlerrolle, davon Notiz zu nehmen.
»Nein,« antwortete er, »ihre Nase ist ebenso wohlgebildet wie ihr Fuß und ihre Figur; aber sie könnte ein wenig hysterisch genannt werden.«
»Sehr gut!« bemerkte la Peyrade, »und da von der Hysterie zum Irrsinn nur ein Schritt ist ...«
»Allerdings,« sagte Cérizet lebhaft, »Kummer hat bei ihr eine leichte Gehirnaffektion verursacht, die Ärzte stimmen aber in der Diagnose überein, daß nach der Geburt des ersten Kindes nicht eine Spur dieser unbedeutenden Geistesverwirrung zurückgeblieben sein wird.«
»Ich halte die Herren Ärzte gewiß für unfehlbar; aber trotz deiner Kleinmütigkeit wirst du mir schon gestatten müssen, lieber Freund, an Fräulein Colleville festzuhalten. Es klingt vielleicht lächerlich, aber ich muß gestehen, daß ich mich tatsächlich in die Kleine sehr verliebt habe. Nicht daß sie eine auffallende Schönheit wäre oder daß mich der Glanz ihrer Mitgift blendet, aber ich finde, daß das Kind bei aller Naivität eine ganze Menge Verstand besitzt und, was für mich vor allem entscheidend und anziehend ist, eine echte tiefe
Weitere Kostenlose Bücher