Die Kleinbürger (German Edition)
entschlossen, zu schlechten Bedingungen zu verkaufen.«
»Aber zu welchen Bedingungen denn nun?«
»Ich habe die Wechsel für fünfzehntausend Franken hergegeben.«
»Nicht doch!« sagte Dutocq achselzuckend; »sicherlich haben Sie sich an der Vermittlungsgebühr bei diesem Geschäft schadlos halten können, das vielleicht, nach allem was ich sehe, nur eine Machenschaft ist, die Sie mit la Peyrade zusammen ausgeheckt haben.«
»Sie scheinen nicht zu wissen, was Sie reden, mein Lieber; es geht Ihnen irgendeine Gemeinheit durch den Kopf, und Sie genieren sich nicht im geringsten, sie andern in die Schuhe zu schieben. Glücklicherweise werden Sie gleich hören, wie ich Theodosius meine Eröffnung mache, und an der Art, wie er sie aufnimmt, werden Sie ja beurteilen können, ob ein Einverständnis zwischen uns vorliegt.«
»Schön!« sagte Dutocq, »ich ziehe meine Anschuldigung zurück, aber Ihre Auftraggeber sind ja die reinen Seeräuber; man darf Einem doch nicht gleich eine Schlinge um den Hals legen; und dann – ich kann mich nicht wie Sie an einer Provision schadlos halten.«
»Meine Erwägungen dabei waren diese, mein armer Junge: ich sagte mir, der gute Dutocq ist sehr in Nöten wegen der Restzahlung für sein Amt; nun bietet sich ihm die Gelegenheit, auf einen Schlag alles zu zahlen; die Angelegenheit selbst beweist, daß unsere Ansprüche an la Peyrade unsicher geworden sind, dagegen bietet man hier das Geld rund und nett an – es ist also vielleicht doch kein so schlechtes Geschäft.«
»Zugegeben, aber ich verliere ja dabei zwei Fünftel!«
»Hören Sie!« sagte Cérizet, »Sie sprachen eben von Provision; es wäre möglich, daß ich auch für Sie eine herausschlagen könnte; und wenn Sie sich verpflichten wollten, in die Collevillesache eine Bresche zu schießen und sich auf einen Ihrem bisherigen Standpunkt entgegengesetzten zu stellen, so würde ich es wohl durchsetzen können, daß Sie die runde Summe von zwanzigtausend Franken erhielten.«
»Sie glauben also, daß diese neue Kombination la Peyrade nicht angenehm sein wird? daß er sich dagegen auflehnen wird? Handelt es sich vielleicht um eine Erbin, auf die der Kerl schon Vorschuß genommen hat?«
»Alles, was ich darüber sagen kann, ist, daß es sich schließlich dabei um ein Lotteriespiel handelt.«
»Es wäre mir ja auch nichts lieber, als mit Ihnen zusammenzuspielen und la Peyrade Unannehmlichkeiten zu bereiten; aber, bedenken Sie: ein Verlust von fünftausend Franken, das ist doch zu viel!«
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und ein Kellner führte den erwarteten Gast hinein.
»Sie können auftragen,« sagte Cérizet zu dem Kellner, »wir erwarten niemanden mehr.«
Man konnte sehen, daß Theodosius anfing, den höheren sozialen Sphären zuzustreben; er war jetzt beständig bemüht, als eleganter Mann aufzutreten. Er befand sich in Abendtoilette, in Frack und Lackschuhen, während die beiden andern Tischgenossen im Rock und mit schmutzigen Stiefeln erschienen waren.«
»Ich glaube, ich habe mich etwas verspätet, edle Herren«, sagte er; »aber dieser verdammte Thuillier ist mit seiner Broschüre, die ich für ihn zurechtschneidere, der unausstehlichste Mensch von der Welt. Ich habe unglückseligerweise mit ihm verabredet, daß wir die Korrekturen gemeinsam lesen wollen, und nun gibt es bei jeder Zeile einen Kampf. ›Was ich nicht verstehe‹, sagt er beständig, ›das versteht das Publikum auch nicht. Ich bin ja kein Schriftsteller, aber ich bin ein Praktiker‹. Und ich muß mich um jeden Ausdruck mit ihm streiten. Ich dachte schon, die heutige Sitzung würde überhaupt kein Ende nehmen.«
»Was wollen Sie, mein Lieber,« sagte Dutocq, »wenn man ein Ziel erreichen will, muß man auch den Mut haben, Opfer zu bringen; wenn Sie erst verheiratet sein werden, können Sie den Kopf so hoch tragen, wie Sie wollen.«
»Ach ja!« sagte la Peyrade mit einem Seufzer, »das werde ich tun, denn der Zeit, wo ihr mich dauernd jeden Bissen mit Angst essen laßt, bin ich allmählich furchtbar müde geworden.«
»Heute«, sagte Dutocq, »wird Cérizet Ihnen etwas Nahrhafteres zu essen vorsetzen.«
Zuerst waren alle nur damit beschäftigt, dem Essen, das der Herr Gesamtmieter in Erinnerung an glücklichere Zeiten bestellt hatte, Ehre anzutun. Und wie es bei solchen Geschäftsdiners zu geschehen pflegt, wo jeder, obwohl er mit den vorliegenden Fragen beschäftigt ist, sie doch nicht anschneiden will, aus Furcht, daß er durch Bezeigen
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