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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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gewehrt habe, um so fester dürfen Sie an die Sicherheit Ihrer Herrschaft über mich glauben. Was ich gesagt habe, das empfinde ich auch; und was ich heute laut denke, das habe ich im Stillen gedacht seit der Stunde, da ich die Ehre hatte, von Ihnen empfangen zu werden, und all die langen Tage, während denen ich gegen meine Neigung ankämpfte, haben einen bewußten Willen in mir aufwachsen lassen, der sich klar über sich geworden ist und den selbst eine strenge Abweisung nicht mehr erschüttern könnte.«
    »Abweisung, das wäre möglich,« sagte die Gräfin, »aber bei einem Entgegenkommen muß man sehr vorsichtig sein; prüfen Sie sich selbst recht genau; wir Fremden kennen die Leichtfertigkeit nicht, mit der die Französinnen so oft auch die ernsthaftesten Beziehungen eingehen. Für uns ist ein Ja eine heilige Sache; unser Wort ist wie eine Unterschrift. Wir wollen und wir tun nichts halb. Das Wappen meiner Familie trägt einen Wahlspruch, der hier eine tiefe Bedeutung hat: ›Alles oder Nichts‹: das will viel sagen, und das ist vielleicht noch nicht genügend.
    »Oh, genau so verstehe ich es auch,« antwortete der Advokat, »und mein erster Schritt, wenn ich Sie verlasse, wird sein, hinzugehen und mit der unwürdigen Vergangenheit zu brechen, die ich einen Augenblick lang gegen die berauschende Zukunft, auf die zu hoffen Sie mir nicht verbieten, abzuwägen schien.«
    »Nein,« sagte die Gräfin, »das muß mit Ruhe und Mäßigung geschehen; ich liebe keine Gewaltstreiche, und es wäre eine üble Art, mir den Hof zu machen, wenn Sie dabei Fensterscheiben zerschlagen. Die Thuilliers sind im Grunde genommen keine schlechten Menschen; sie haben Sie gedemütigt, ohne es zu wissen; sie gehören eben zu einer anderen Welt als der Ihrigen! Ist das ihre Schuld? Lösen Sie die Verbindung, aber brechen Sie nicht mit ihnen, und vor allem, überlegen Sie sich die Sache noch. Ihre Bekehrung zu meinem Glauben ist ja noch so jungen Datums! Wer ist sicher, was ihm morgen sein Herz sagen wird?«
    »Ich, gnädige Frau,« sagte la Peyrade, »ich bin ein solcher. Wir Leute aus dem Süden wir lieben nicht auf französische Manier.«
    »Aber,« sagte die Ungarin mit reizendem Lächeln, »zwischen uns schien doch von Haß die Rede zu sein?«
    »Ach, gnädige Frau,« rief der Advokat aus, »selbst richtig erklärt und verstanden, tut mir dieses Wort weh: sagen Sie mir lieber, nicht daß Sie mich lieben, aber daß die Worte, die Sie so gütig waren, seit unsrer letzten Begegnung an mich zu richten, wirklich Ihrem Empfinden entsprechen.«
    »Mein Freund,« sagte die Gräfin, indem sie dieses Wort betonte, »einer Ihrer Moralisten hat gesagt: ›Es gibt Leute, die nur sagen: Das ist so oder das ist nicht so; sie brauchen nicht zu schwören, ihr Charakter bürgt für sie.‹ Haben Sie die Güte, mich zu diesen Leuten zu rechnen.«
    Und sie reichte dem Advokaten die Hand mit einer Mischung von Zurückhaltung und Freundlichkeit. Außer sich stürzte sich der Advokat auf diese Hand und bedeckte sie mit Küssen.
    »Genug, Sie Kind!« sagte die Fremde und entwand sie langsam seinen Fingern; »Leben Sie wohl und auf baldiges Wiedersehen! Ich glaube, meine Migräne ist vorüber.«
    La Peyrade griff nach seinem Hut und schien hinauseilen zu wollen; aber an der Tür blieb er noch einmal stehen, wandte sich um und warf der schönen Fremden noch einen Blick voll warmer Zärtlichkeit zu.
    Die Gräfin nickte ihm ein bezauberndes Lebewohl zu; aber als la Peyrade sich anschickte, noch einmal zurückzukommen, gab sie ihm mit dem Finger ein Zeichen, daß er vernünftig sein und bleiben solle, wo er war.
    La Peyrade entfernte sich jetzt. Auf der Treppe blieb er stehen, um auszuatmen, wenn man so sagen darf, wovon sein Herz überfloß; die Worte der Gräfin, die kluge Vorbereitung, mit der sie ihn auf die Spur ihrer Empfindungen gelenkt hatte, schienen ihm ebenso viele Garantien für ihre Ernsthaftigkeit zu sein, und er ging voller Vertrauen von dannen.

Aber er fühlte die Trunkenheit der Glücklichen, die sich nicht nur in ihren Gesten, ihrem Blick, ihrem Betragen verrät, sondern manchmal auch in Handlungen, die, streng genommen, unvernünftig sind; nachdem er einen Augenblick auf der Treppe stillgestanden hatte, stieg er einige Stufen hinauf und rief an der Stelle, wo er Thuilliers Wohnung sehen konnte, aus:
    »Endlich kommt der Ruhm, der Reichtum und das Glück, und noch darüber hinaus, die Wonne, daß ich meiner Rache freien Lauf lassen kann!! Nach

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