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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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gewordene Verfasser, wie man sagt, durch einen Ausspruch angeregt wurde, den er eines Tages aus dem Munde seiner Portiersfrau vernahm: »Es gibt Leute,« sagte die Frau, »die tun, als ob sie auf den Teller spucken, damit sie es den andern verekeln und alles vor sich haben.«
    Die Hauptperson des »Hasses einer Frau« ist in der Tat eine junge Witwe, die einen armen jungen Mann, der unschuldig ist, mit hartnäckiger Wut verfolgt. Alle glauben, daß sie einen tödlichen Haß auf ihn habe. Durch ihre Bosheiten vernichtet sie beinahe seinen guten Ruf und bringt ihn um eine reiche Heirat; aber schließlich geschieht das alles, um ihm viel mehr zu schenken, als sie ihm genommen hat, denn die Lösung ist, daß sie sich ihm selbst gibt und den, der sich für ihr Opfer hielt, zu ihrem Gatten macht.
    Wenn der Zufall dieses Buch gesondert hingelegt und gerade an der Stelle geöffnet hatte, wo la Peyrade das Zeichen fand, so muß man gestehen, daß, nach dem was zwischen ihm und der Gräfin vorgegangen war, der Zufall oft recht geschickt und geistvoll zu sein scheint.
    Indem er über den tieferen Sinn, den dieses mehr oder weniger zufällige Zusammentreffen haben mochte, nachdachte, begann la Peyrade einige Szenen zu lesen, um sich zu überzeugen, ob auch im einzelnen wie im ganzen die Anspielung genau auf seine Lage paßte. Während er mit Interesse, wenn auch etwas zerstreut, las, ließ sich das Geräusch einer Türe hören, und der Advokat, der den Silberklang und den ein wenig lässigen Ton der Stimme der schönen Ungarin erkannte, stellte fest, daß sie jemanden hinausbegleitete.
    »Also«, sagte der Besucher zu der vornehmen Dame (es war ein männlicher Besuch), »ich darf doch der Frau Gesandtin versprechen, daß Sie heute abend ihren Ball mit Ihrer Gegenwart beehren werden?«
    »Ja, mein lieber Kommandeur, vorausgesetzt daß meine Migräne, die jetzt nachzulassen scheint, so nett ist, ganz zu verschwinden.«
    »Also auf Wiedersehen, meine Verehrteste«, sagte die Stimme des Besuchers.
    Dann wurde die Tür geschlossen und alles versank wieder in Schweigen.
    Die Bezeichnung Kommandeur beruhigte la Peyrade ein wenig, denn mit diesem Titel pflegen ja schöne junge Herren nicht angeredet zu werden. Er wollte aber gern wissen, mit was für einer Persönlichkeit sie sich so lange eingeschlossen hatte. Da er niemanden kommen hörte, näherte sich der Advokat dem Fenster, von dem man auf die Straße sah, und öffnete vorsichtig die Vorhänge, immer bereit, sie beim geringsten Geräusch wieder zurückfallen zu lassen und sich umzudrehen, um nicht bei seiner Neugierde ertappt zu werden. Ein elegantes Kupee, das einige Schritte vom Hause entfernt hielt, und das er bei seinem Eintreten nicht bemerkt hatte, setzte sich in Bewegung, ein Kammerdiener in reicher, aber geschmackvoller Livree, beeilte sich, die Wagentür zu öffnen, und ein kleiner, flinker, herausgeputzter alter Herr, der aber noch einige selten gewordene Überbleibsel der Vergangenheit an sich trug, da er noch nicht vollständig auf den Puder verzichtet hatte, sprang schnell in den Wagen, der sofort eilig davonfuhr. La Peyrade hatte noch Zeit gehabt, eine Unzahl Orden an seiner Brust zu bemerken. Dieser Regenbogen zusammen mit dem gepuderten Tituskopf ließen keinen Zweifel daran, daß man es hier mit der Persönlichkeit eines Diplomaten zu tun hatte. La Peyrade hatte Zeit gehabt, das Buch wieder aufzunehmen, denn es schien ihm für alle Fälle vorteilhaft zu sein, wenn man ihn bei dieser Lektüre anträfe, als ein Klingelzeichen im Innern der Wohnung ertönte und bald darauf die Kammerfrau erschien, um ihm anzukündigen, daß sein langes Warten ein Ende habe.
    Aufgefordert, ihr zu folgen, legte der Advokat den Band absichtlich nicht wieder so hin, wie er ihn aufgenommen hatte, und einen Augenblick später stand er vor der Gräfin.
    Ein Anzeichen von Schmerz malte sich auf dem schönen Antlitz der Fremden, das durch diesen schmachtenden Ausdruck aber nichts von seinem Reiz einbüßte. Neben ihr auf dem Sopha lag ein geöffnetes Schreiben auf goldgerändertem Papier, dessen breite prachtvolle Handschrift anzeigte, daß es aus dem Kabinett oder der Kanzlei eines Ministers kam. In der Hand hielt sie ein Kristallfläschchen mit einem Stöpsel aus ziseliertem Gold, an dem sie häufig roch, und ein starker Geruch nach englischem Essig verdeckte das sonstige Parfüm des Zimmers.
    »Sind Sie leidend, gnädige Frau?« fragte la Peyrade voll Interesse.
    »Oh, es hat nichts zu

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