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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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sein schien. Glücklich über die Freundschaft mit Fräulein Minard, die vier Jahre älter war als sie, veranlaßte sie ihren Paten und ihren Vater, die Beziehungen zu dem Hause Minard mit seinen goldstrotzenden Salons, seinem Reichtum, dem Treffpunkt mehrerer politischer Zelebritäten der Mittelpartei, zu pflegen; hier verkehrte Herr Popinot, der spätere Handelsminister, Cochu, der Baron geworden war, ein früherer Beamter der Abteilung Clergeot im Finanzministerium, der, stark bei einer Drogeriefirma beteiligt, das Orakel der Stadtviertel des Lombards und des Bourdonnais zusammen mit Anselm Popinot war. Der älteste Sohn Minards, Advokat, der beabsichtigte, der Nachfolger eines der Advokaten, die seit 1830 sich der politischen Karriere zugewendet hatten, zu werden, war das Genie der Familie, und seine Mutter ebenso wie sein Vater wünschten, ihn gut zu verheiraten. Zélie Minard, eine frühere Blumenmacherin, hatte eine brennende Vorliebe für die hohen Gesellschaftskreise und wollte sich vermittelst der Heiraten ihrer Tochter und ihres Sohnes dort Zutritt verschaffen, während Minard, klüger als sie und strotzend von der Kraft der Mittelklasse, mit der die Julirevolution das Blut der Machthaber auffrischte, nur daran dachte, reich zu werden.
    Er besuchte den Salon der Thuilliers, um dort Genaueres über Celestes Erbschaftsaussichten zu erfahren. Er kannte, ebenso wie Dutocq und Phellion, die Gerüchte über das frühere Verhältnis Thuilliers mit Flavia und hatte auf den ersten Blick gemerkt, wie sehr die Thuilliers ihr Mündel anbeteten. Um bei Minard zugelassen zu werden, überhäufte Dutocq ihn mit übermäßigen Schmeicheleien. Er verglich Minard, den Rothschild des Bezirks, als er ihn bei Thuilliers traf, in beinahe geistvoller Art mit Napoleon, da er ihn, stark, dick und blühend wiedersah, den er im Bureau mager, blaß und elend verlassen hatte: »In der Abteilung la Billardière waren Sie wie Napoleon vor dem achtzehnten Brumaire, und jetzt sehe ich Sie hier wie Napoleon, als er Kaiser geworden war!« Trotzdem behandelte Minard Dutocq kühl und lud ihn nicht ein; daher machte er auch den giftigen Gerichtsvollzieher zu seinem Todfeinde.
    Was für ehrenwerte Leute Herr und Frau Phellion auch waren, so konnten sie doch nicht unterlassen, Berechnungen anzustellen und Hoffnungen zu hegen; sie meinten, daß Celeste eine gute Partie für ihren Sohn, den Professor, wäre, und um eine Rolle in Thuilliers Salon zu spielen, brachten sie auch ihren Schwiegersohn, Herrn Barniol, eine im Faubourg Saint-Jacques angesehene Persönlichkeit, und einen früheren Beamten der städtischen Verwaltung, ihren intimen Freund, mit, dem Colleville gewissermaßen seine Stelle weggenommen hatte; denn Herr Leudigeois, seit zwanzig Jahren städtischer Beamter, hatte als Belohnung für seine langjährigen, Dienste auf die Sekretärsstelle, die Colleville erhalten hatte, gerechnet. So bildeten die Phellions eine Phalanx von sieben zuverlässigen Getreuen; nicht weniger zahlreich war die Familie Colleville, so daß an manchen Sonntagen dreißig Personen im Salon Thuillier zusammenkamen. Thuillier machte auch die Bekanntschaft der Saillards, der Baudoyers und der Falleix, angesehener Leute des Viertels der Place-Royale, die häufig zum Diner eingeladen wurden.
    Frau Colleville war die distinguierteste Dame dieser Gesellschaft, ebenso wie der junge Minard und der Professor Phellion ihre geistig bedeutendsten Männer waren; denn alle anderen, ohne eigene Gedanken, ohne Kenntnisse, aus den unteren Ständen hervorgegangen, waren komische Typen des Kleinbürgertums. Obgleich jedes mühsam erworbene Vermögen gewisse Verdienste zur Voraussetzung hat, war Minard doch nur ein aufgeblasener Ballon. Sich in wilden Phrasen ergießend, Unterwürfigkeit für Höflichkeit und Redensarten für Geist haltend, gab er Gemeinplätze mit einem Aplomb und einer Ungeniertheit von sich, daß das für Beredsamkeit gehalten wurde. Solche Worte, die nichts bedeuten und auf alles eine Antwort sind, wie: Fortschritt, Dampfkraft, Asphalt, Nationalgarde, Ordnung, demokratisches Element, Geist der Einigkeit, Gesetzmäßigkeit, Bewegung und Widerstand, Einschüchterung, schienen bei jeder politischen Phase für Minard neu erfunden zu sein, der dann damit die Sätze seiner Zeitung ausschmückte. Julian Minard, der junge Advokat, litt ebenso unter seinem Vater wie sein Vater unter seiner Frau. Zélie Minard hatte mit dem Reichtum Prätentionen angenommen, ohne je richtig

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