Die Kleinbürger (German Edition)
einer der angesehensten Männer in seinem Bezirk. Er hatte eine Tochter, eine ehemalige Unterlehrerin am Pensionat Lagrave, die mit einem Lehrer aus der Rue Saint-Hyacinthe, Herrn Barniol, verheiratet war.
Der ältere Sohn Phellions war Professor der Mathematik an einem königlichen Gymnasium; er gab Unterricht, Nachhilfestunden und widmete sich, wie sein Vater sich ausdrückte, der reinen Mathematik. Der zweite Sohn war auf der Ingenieurschule. Phellion hatte neunhundert Franken Pension und eine Rente von neuntausend und einigen hundert Franken, das Resultat seiner Ersparnisse und der seiner Frau aus dreißigjähriger Arbeit und Entbehrung. Er besaß außerdem ein kleines Haus mit einem Garten in der Gasse des Feuillantines. (In dreißig Jahren hatte er nicht ein einziges Mal den alten Ausdruck »Sackgasse« gebraucht.) Dutocq, Gerichtsvollzieher beim Friedensgericht, war früher Beamter im Finanzministerium; er war damals das Opfer einer Zwangsmaßregel, wie sie bei einer Regierung des Repräsentativ-Systems vorkommen, geworden und hatte die Rolle eines Sündenbocks in einer unsauberen Verwaltungsangelegenheit, die zur Kenntnis der Budgetkommission gekommen war, auf sich genommen, wofür er im geheimen mit einer ziemlich runden Summe entschädigt worden war; er war damit imstande, sich die Gerichtsvollzieherstelle zu kaufen. Dieser, im übrigen wenig anständige Mensch, ein Bureau-Spion, wurde von den Thuilliers nicht so aufgenommen, wie er es erwartet hatte; aber trotz des kühlen Verhaltens seiner Hauswirte beharrte er dabei, sie zu besuchen.
Er war ein lasterhafter Junggeselle, der seine Lebensweise ziemlich sorgsam geheim hielt und sich bei seinen Vorgesetzten durch Schmeichelei in seiner Stellung erhielt. Der Friedensrichter hatte Dutocq sehr gern. Diese üble Persönlichkeit verstand es, durch niedrige, grobe Lobhudeleien, die niemals ihre Wirkung verfehlen, zu erreichen, daß er bei den Thuilliers geduldet wurde. Er kannte Thuilliers Leben, seine Beziehungen zu Colleville, und vor allem die zu seiner Frau, ganz genau; man fürchtete seine gefährliche Zunge, und die Thuilliers ließen ihn sich gefallen, ohne ihn zu ihrem engeren Kreise zuzulassen. Die Familie aber, die der Stolz ihres Salons wurde, war die eines armen kleinen Beamten, der früher ein Gegenstand des Mitleids in den Bureaus gewesen war, und der, durch seine Armut genötigt, im Jahre 1827 aus dem Dienst geschieden war, um sich mit einer Idee im Kopfe auf die Industrie zu legen. Minard erblickte eine hoffnungsvolle Aussicht in einer der üblen Manipulationen, die den französischen Handelsstand in Verruf gebracht haben, und die um das Jahr 1827 vor der Öffentlichkeit noch nicht gebrandmarkt waren. Minard kaufte Tee und mischte ihn zu gleichen Teilen mit gebrauchten Teeblättern; dann wendete er ein ähnliches Verfahren bei der Schokolade an, das ihm gestattete, sie billig zu verkaufen. Der Handel mit Kolonialwaren, den er in dem Stadtviertel Saint-Marcel begonnen hatte, machte aus Minard einen richtigen Kaufmann; er besaß eine Fabrik und konnte vermöge seiner Beziehungen nun seine Rohstoffe von den Erzeugern beziehen; und so betrieb er jetzt in anständiger Weise das Geschäft weiter, das er mit Fälschungen begonnen hatte. Er wurde Destillateur, handelte mit riesigen Mengen von Waren und galt im Jahre 1835 als der reichste Kaufmann des Viertels an der Place Maubert. Er hatte sich eins der schönsten Häuser in der Rue des Maçons-Sorbonne gekauft, war Beigeordneter gewesen und im Jahre 1839 zum Bürgermeister seines Bezirks und zum Handelsrichter ernannt worden. Er hatte einen Wagen und einen Landsitz bei Lagny; seine Frau erschien mit Brillanten bei den Hofbällen, und er war stolz auf die Rosette eines Offizieres der Ehrenlegion in seinem Knopfloch. Minard und seine Frau waren übrigens außerordentlich wohltätig. Vielleicht wollten sie im Kleinen den Armen wieder zurückgeben, was sie im Großen dem Publikum abgenommen hatten. Phellion, Colleville und Thuillier trafen Minard bei den Wahlen wieder, und es entspann sich eine um so intimere Freundschaft mit Thuillier und Colleville, als Frau Zélie entzückt darüber zu sein schien, ihre »Fräulein« Tochter mit Celeste Colleville Bekanntschaft machen zu lassen. Auf einem großen Balle, den die Minards gaben, wurde Celleste in die Gesellschaft eingeführt, sie war damals sechzehneinhalb Jahr alt und wundervoll gekleidet, wie es ihr Name verlangte, der für ihr Leben verheißungsvoll zu
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