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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Stunde hier zu verbringen, und oft ließ Minard, wenn er mit seiner Tochter und seinem älteren Sohne, dem Advokaten, fortging, seine Frau zurück. Diese Beharrlichkeit Minards fand ihre Erklärung in einer, allerdings ziemlich späten Unterredung mit den Herren Métivier und Barbet, die eines Abends stattfand, als diese beiden wichtigen Mieter etwas länger als gewöhnlich dablieben und mit Fräulein Thuillier sprachen. Minard erfuhr von Barbet, daß die alte Jungfer ihm etwa dreißigtausend Franken gegen Sechsmonatswechsel zu siebeneinhalb Prozent jährlich lieh und Métivier den gleichen Betrag, so daß sie wenigstens über hundertachtzigtausend Franken verfügen müßte.
    »Ich nehme für Darlehen im Buchhandel zwölf Prozent, und gebe sie nur gegen sichere Unterlagen. Ich kann es also gar nicht bequemer haben,« schloß Barbet. »Ich behaupte, daß sie hundertachtzigtausend Franken besitzen muß, denn die Bank nimmt nur Dreimonatsakzepte.«
    »Sie hat also ein Konto bei der Bank?« sagte Minard.
    »Ich glaube es«, erwiderte Barbet.
    Da er Beziehungen zu einem Verwaltungsrat der Bank hatte, erfuhr Minard, daß Fräulein Thuillier in der Tat dort ein Konto in Höhe von etwa zweihunderttausend Franken besaß, für das als Unterlage vierzig Aktien deponiert waren. Diese Unterlage war übrigens, wie es hieß, überflüssig; die Bank hatte alles Entgegenkommen gegen eine Persönlichkeit, die ihr bekannt war und das Vermögen Celeste Lempruns verwaltete, der Tochter eines Angestellten, der ebensoviel Dienstjahre zählte, wie die Bank Jahre ihres Bestehens.
    Im übrigen hatte Fräulein Thuillier im Verlaufe von zwanzig Jahren niemals ihren Kredit überschritten. Sie diskontierte allmonatlich Dreimonatswechsel über sechzigtausend Franken, was ungefähr hundertsechzigtausend Franken ausmachte. Da die deponierten Aktien einen Wert von hundertzwanzigtausend Franken hatten, so lief man gar kein Risiko, denn die Wechsel waren jedenfalls sechzigtausend Franken wert.
    »Würde sie«, sagte der Bankkommissar, »im dritten Monat uns auch Wechsel über hunderttausend Franken bringen, wir würden nicht einen einzigen zurückweisen. Sie besitzt ein unbelastetes Haus, das mehr als hunderttausend Franken wert ist. Und schließlich sind alle diese Wechsel von Barbet und Métivier ausgestellt und tragen vier Unterschriften, die ihrige inbegriffen.«
    »Weshalb macht Fräulein Thuillier noch solche Geschäfte?« fragte Minard Metivier. »Aber das wäre doch etwas für Sie«, fügte er hinzu.
    »Oh, was mich anlangt,« erwiderte Metivier, »ich tue besser, wenn ich eine von meinen Kusinen heirate; mein Onkel Métivier hat mir seine Geschäfte übertragen; er hat hunderttausend Franken Einkommen und nur zwei Töchter.«

So heimlich Fräulein Thuillier, die niemandem, nicht einmal ihrem Bruder, etwas von solchen Geldanlagen mitteilte, auch vorging, und obwohl in diesen Summen auch die Ersparnisse aus dem Einkommen der Frau Thuillier mit den ihrigen zusammen enthalten waren, so ließ es sich doch schwer verhüten, daß nicht ein Strahl des Lichtes unter dem Scheffel, der ihren Schatz bedeckte, hervordrang.
    Dutocq, der bei Barbet verkehrte, dem er im Charakter und im Aussehen vielfach ähnelte, hatte, zutreffender als Minard, die Ersparnisse der Thuilliers im Jahre 1838 auf hundertfünfzigtausend Franken geschätzt und konnte im geheimen ihr weiteres Anwachsen verfolgen, wenn er die Gewinne berechnete, die sie mit Hilfe des schlauen Geldverleihers Barbet machten.
    »Celeste bekommt von uns zweihunderttausend Franken bar,« hatte die alte Jungfer Barbet vertraulich mitgeteilt, »und Frau Thuillier will ihr kontraktlich ihr Vermögen verschreiben und sich nur die Nutznießung vorbehalten. Was mich betrifft, so ist mein Testament gemacht. Mein Bruder behält alles, solange er lebt, und Celeste ist meine Erbin. Herr Cardot, mein Notar, ist mein Testamentsvollstrecker.«
    Inzwischen hatte Fräulein Thuillier ihren Bruder veranlaßt, seine alten Beziehungen zu den Saillards, den Baudoyers und den Falleix wieder aufzunehmen, die im Viertel Saint-Antoine, wo Saillard Bürgermeister war, eine den Thuilliers und Minards entsprechende Stellung einnahmen. Der Notar Cardot hatte seinerseits ihnen einen Bewerber in der Person des Advokaten Godeschal, Dervilles Nachfolger, präsentiert, eines tüchtigen Mannes von sechsunddreißig Jahren, der beim Ankauf seiner Stelle hunderttausend Franken angezahlt hatte, und den Rest mit den zweihunderttausend

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