Die Kleinbürger (German Edition)
Franken der Mitgift würde begleichen können. Aber Minard bewirkte, daß Godeschal abgelehnt wurde, nachdem er Fräulein Thuillier mitgeteilt hatte, daß Celeste dann zur Schwägerin die berühmte Marietta von der Oper bekommen würde.
»Sie kommt ja von dort her,« sagte Colleville mit einer Anspielung auf seine Frau, »und sie will doch nicht wieder dorthin zurückkehren.«
»Außerdem ist Herr Godeschal zu alt für Celeste«, sagte Brigitte.
»Und dann,« fügte Frau Thuillier schüchtern hinzu, »soll man sie nicht nach ihrem Geschmack wählen lassen, damit sie glücklich wird?«
Die arme Frau hatte gemerkt, daß Felix Phellion Celeste wahrhaft liebte, mit einer Liebe, wie sie eine Frau, die von Brigitte unterdrückt und durch die Gleichgültigkeit Thuilliers, der sich um seine Frau weniger als um ein Dienstmädchen kümmerte, verletzt war, sich erträumte: innerlich voll Mut, schüchtern nach außen hin, selbstsicher und doch furchtsam, vor allen andern zurückhaltend und in allen Himmeln schwelgend. Dreiundzwanzig Jahre alt, war Felix Phellion ein sanfter, harmloser junger Mann, wie die Gelehrten sind, die sich der Wissenschaft um der Wissenschaft willen hingeben. Er war sorgfältig von seinem Vater erzogen worden, der alles ernst nahm und ihm stets ein gutes Vorbild gewesen war, wenn er ihm auch triviale Lehren gab. Er war ein junger mittelgroßer Mann mit hellbraunem Haar, grauen Augen und einem Gesicht voller Sommersprossen; er hatte eine sehr angenehme Stimme, eine ruhige Haltung, bewegte sich wenig, war träumerisch, machte nur sinnvolle Bemerkungen, widersprach niemandem und war vor allem jedes schmutzigen Gedankens und jeder egoistischen Berechnung bar.
»Solch einen Mann hätte ich mir gewünscht!« sagte sich Frau Thuillier oft.
Zu Anfang des Jahres 1840, im Februar, waren im Salon bei den Thuilliers mehrere der eben geschilderten Personen anwesend. Es war gegen Ende des Monats. Barbet und Métivier, die jeder dreißigtausend Franken von Fräulein Brigitte bekommen hatten, spielten mit Minard und Phellion Whist. An einem andern Tisch spielten Julian, der Advokat, welchen Spitznamen Colleville dem jungen Minard gegeben hatte, Frau Colleville, Herr Barniol und Frau Phellion. Eine Bouillotte, den Point zu fünf Sous, machten Frau Minard, die kein anderes Spiel verstand, Colleville, der alte Vater Saillard und sein Schwiegersohn Bandoze. Laudigeois und Dutocq waren Ersatzmänner; die Damen Falleix, Baudoyer, Barniol und Fräulein Minard spielten Boston, und Celeste saß neben Prudence Minard. Der junge Phellion unterhielt sich mit Frau Thuillier und sah Celeste an.
Am Kamin thronte auf einem Sofa die Königin Elisabeth der Familie, ebenso einfach wie seit dreißig Jahren gekleidet, denn kein Reichtum hätte sie ihren Gewohnheiten untreu machen können. Auf ihren chinchillafarbenen Haaren saß eine Haube aus schwarzer Gaze mit Charles X.-Geranien garniert; ihr Kleid aus schleierartigem korinthenfarbigem Stoff hatte fünfzehn Franken gekostet; ihre gestickte Halskrause für sechs Franken verhüllte nur mangelhaft den tiefen Einschnitt, den die beiden Muskeln, die den Kopf mit der Wirbelsäule verbinden, machen. Monvel, wenn er den alten Augustus spielte, zeigte kein so strenges Profil wie das dieser Autokratin, die für ihren Bruder Strümpfe strickte. Vor dem Kamin stand Thuillier, immer auf dem Sprunge, den Neuankommenden entgegenzugehen, und neben ihm befand sich ein junger Mann, dessen Erscheinen großes Aufsehen erregt hatte, als der Portier, der an Sonntagen in seinem besten Anzug als Diener fungierte, Herrn Olivier Vinet anmeldete.
Eine vertrauliche Mitteilung, die Cardot dem berühmten Generalstaatsanwalt, dem Vater dieses jungen Beamten gemacht hatte, war die Veranlassung zu dessen Besuch gewesen. Olivier Vinet war als Staatsanwaltsgehilfe von dem Gericht in Arcis-sur-Aube an das Seinegericht versetzt worden. Der Notar Cardot hatte Thuillier mit dem Generalstaatsanwalt, der Aussicht hatte, Justizminister zu werden, und seinem Sohne zum Essen eingeladen. Cardot schätzte das Vermögen, das Celeste einmal zufallen sollte, augenblicklich auf siebenhunderttausend Franken. Der junge Vinet war entzückt, daß er Sonntags bei Thuilliers erscheinen durfte. Große Mitgiften verführen heutzutage zu großen Gemeinheiten, ohne daß man sich deren schämt.
Zehn Minuten später erhob ein anderer junger Mann, der vor der Ankunft des Staatsanwaltsgehilfen mit Thuillier geplaudert hatte, bei einer
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