Die Kleinbürger (German Edition)
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Das ist alles, was ich für Dich tun konnte, mein guter Junge, um Dich für Deine guten Absichten zu entschädigen und Dir zu beweisen, daß ich Dir nicht böse bin. Ich glaube in der Tat, daß die Verwandten mit langer Nase abziehen werden. Damit wir über alles das plaudern können, erwarte ich Dich heute um vier Uhr, denn ich speise nicht so spät, wie ich es gestern in einem Hause gesehen habe, wo ich Gelegenheit hatte, mich günstig über deine Begabung zu äußern. Frau Lambert, die mit dem Kochlöffel gewandter umzugehen versteht als mit der Feder, wird es sich angelegen sein lassen, und, obgleich es Freitag ist, den sie mir niemals erläßt, hat sie uns ein Fastenessen, eines Erzbischofs würdig, versprochen und eine halbe Flasche guten Champagner, dem wir nötigenfalls noch eine zweite werden folgen lassen, um die Orden zu begießen. Dein alter Lehrer und Freund.
Picot,
Ritter der Ehrenlegion.
P.S. Würde Deine verehrte Mutter Dir nicht ein kleines Fläschchen von dem alten vorzüglichen Kognak spendieren, den Du mir seinerzeit verehrt hast? Ich habe keinen Tropfen mehr davon, und gestern habe ich welchen zu trinken bekommen, mit dem man allenfalls Pferden die Beine waschen kann; aber ich habe der reizenden Hebe, die ihn mir kredenzte, kein Hehl aus meiner Meinung gemacht.«
»Gewiß soll er noch eins haben,« sagte Frau Phellion, »aber kein Fläschchen, sondern einen ganzen Liter.«
»Und ich«, sagte Minard, »rühme mich, ebenfalls einen ganz vortrefflichen zu besitzen, und werde ihm mehrere Flaschen davon schicken; aber Sie dürfen ihm nicht sagen, Herr Ritter, der Sie mich hoffentlich zum Paten wählen werden, von wem sie kommen; denn man kann nie wissen, wie dieser merkwürdige Mann so etwas aufnimmt.«
»Frau,« sagte jetzt plötzlich der alte Phellion, »eine weiße Krawatte und meinen Frack!«
»Wo willst du denn hingehen?« fragte Frau Phellion, »Dich beim Minister bedanken?«
»Bring mir nur die Sachen, sage ich; ich habe einen wichtigen Besuch zu machen, und der Herr Bürgermeister wird mich freundlichst entschuldigen.«
»Ich muß ebenfalls aufbrechen,« antwortete Minard, »ich habe in einer Sache zu tun, die meinen Sohn betrifft, der allerdings keinen Stern entdeckt hat.«
Phellion kleidete sich um, ohne auf die Fragen Felix' und seiner Frau zu antworten, zog ein Paar weiße Handschuhe an, schickte nach einem Wagen und ließ sich eine Viertelstunde später bei Brigitte anmelden, die er beim Verwahren des guten Porzellans und Silbers, die am Tage vorher benutzt worden waren, antraf.
Während sie diese häusliche Arbeit unterbrach, um den Besuch zu empfangen, sagte die alte Jungfer, nachdem beide Platz genommen hatten:
»Na, Papa Phellion, Sie haben uns gestern nicht Wort gehalten; Sie haben es übrigens schlauer gemacht als die andern. Wissen Sie schon, was uns der Notar für einen Streich gespielt hat?«
»Ich weiß alles,« sagte Phellion, »und gerade dieser unvorhergesehene Aufschub, den Ihre Absichten erfahren haben, gibt mir den Anlaß zu der wichtigen Unterredung, die ich mit Ihnen zu haben wünsche. Zuweilen scheint die Vorsehung sich darin zu gefallen, unsere am besten vorbereiteten Pläne zunichte zu machen; manchmal scheint sie uns auch durch die Hindernisse, mit denen sie uns den Weg versperrt, anzudeuten, daß wir fehlgehen, und uns zu mahnen, besser zu überlegen.«
»Die Vorsehung! die Vorsehung,« sagte Brigitte und spielte sich als Freigeist auf, »die hat anderes zu tun, als sich mit uns zu befassen.«
»Das mag Ihre Ansicht sein«, entgegnete Phellion; »was mich anlangt, so pflege ich ihre Hand in kleinen wie in großen Dingen zu erkennen, und wenn sie gestern erlaubt hätte, daß Ihre Verpflichtungen gegen Herrn de la Peyrade zu einem ersten entscheidenden Schritte geführt hätten, so würden Sie mich jetzt gewiß nicht hier sehen.«
»Sie glauben also,« sagte Brigitte, »daß eine Hochzeit nicht stattfinden kann, weil ein Notar fehlt? Man sagt aber doch, daß die Mühle auch ohne den Müller nicht stillsteht.«
»Mein verehrtes Fräulein,« begann der große Mitbürger wieder, »Sie werden mir bezeugen können, daß weder meine Frau noch ich jemals versucht haben, Ihre Entschließungen zu beeinflussen; wir haben die jungen Leute sich liebgewinnen lassen, ohne uns Gedanken zu machen, wohin diese Neigung führen würde ...«
»Ihnen Raupen in den Kopf zu setzen«, unterbrach ihn Brigitte; »da sehen Sie, was bei der Liebe herauskommt, und
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