Die Kleinbürger (German Edition)
bei der Liquidation des Notars nicht genügend herauskommt, so werde ich Ihnen den Betrag auszahlen‹.«
»Nun,« sagte Phellion, »das habe ich ja eben auch erklärt: der Vermittler muß dafür einstehen. Ich hätte mich auch keinen Augenblick besonnen, das zu tun, was Herr de la Peyrade getan hat, und ich meine, daß man ihn deshalb nicht eines jesuitischen Verhaltens beschuldigen kann.«
»Gewiß hätten Sie ebenso gehandelt,« sagte Minard, »und ich auch; aber wir hätten uns dessen nicht vor aller Welt gerühmt, und wir hätten als Ehrenmänner auch bezahlt, und zwar mit unserem Gelde. Aber dieser Wahlagent, womit wird der bezahlen? Mit der Mitgift!«
In diesem Augenblick erschien das kleine Dienstmädchen und brachte Felix Phellion einen Brief. Er war vom alten Picot, und zwar nach seinem Diktat von Frau Lambert geschrieben; deshalb geben wir ihn lieber nicht in ihrer Orthographie wieder.
Frau Lamberts Handschrift gehörte zu denen, die man nicht wieder vergißt, wenn man sie einmal vor Augen gehabt hat. Da er sie gleich wiedererkannte, sagte Felix:
»Das ist ein Brief von dem Herrn Professor.«
Und bevor er ihn öffnete, wandte er sich an Minard:
»Sie gestatten, Herr Bürgermeister?«
»Er wird hübsch mit Ihnen umspringen,« erklärte dieser; »ich habe niemals eine so komische Wut gesehen wie gestern abend bei ihm.«
Während er las, lächelte Felix. Als er die Lektüre beendet hatte, reichte er das Schreiben seinem Vater und sagte:
»Sie können ihn vorlesen.«
In feierlichem Tone begann also der große Mitbürger:
»Mein lieber Felix, eben habe ich Deinen Brief erhalten; er kam sehr zur rechten Zeit, denn ich war, wie man sagt, mächtig böse auf Dich. Du erklärst mir, daß Dein Vertrauensmißbrauch, über den ich mit Dir ein bißchen deutlich abrechnen wollte, den Zweck gehabt hat, meiner Familie eine derbe Lektion zu erteilen, indem dadurch der Beweis geliefert wurde, daß jemand, der so schwierige Berechnungen anzustellen vermag wie die, auf denen Deine Entdeckung fußt, nicht wohl unter Kuratel gestellt oder durch die Bestellung eines gerichtlichen Pflegers lächerlich gemacht werden kann. Dieses Argument leuchtet mir ein, und es ist in dem niederträchtigen Prozeß so schwerwiegend, daß ich diesem Deinem Gedanken meine Zustimmung nicht versagen kann. Aber dieses Argument kommt mir ein bißchen teuer zu stehen, denn es macht mich zum Mitvater und Beteiligten bei einem Stern, und Du weißt recht gut, daß ein solches vertrautes Verhältnis mir absolut nicht paßt. In meinem Alter und nach der Lösung des großen Problems des perpetuum mobile befaßt man sich nicht mehr mit solchen Lappalien; so was ist gut für Grünschnäbel und Anfänger wie du, und das habe ich mir auch erlaubt, heute morgen dem Herrn Unterrichtsminister zu erklären, der mich übrigens mit vollendeter Liebenswürdigkeit empfangen hat. Ich habe ihm zur Erwägung gegeben, ob er nicht, da er sich in der Adresse geirrt hat, das Kreuz und die Pension zurücknehmen wolle, wenngleich ich sie sicherlich aus andern Gründen verdient hätte.
›Die Regierung‹, hat mir darauf der Minister geantwortet, ›pflegt sich nicht zu irren; was sie tut, ist immer wohlgetan, und ein Erlaß, den Seine Majestät unterzeichnet hat, wird nicht zurückgenommen; Ihre hervorragenden Arbeiten haben die beiden Auszeichnungen, die Ihnen der König bewilligt hat, wohl verdient, und ich bin glücklich, eine schon alte Schuld in seinem Namen begleichen zu können.‹
›Aber Felix?‹ fragte ich; ›diese Entdeckung ist für einen jungen Menschen gar nicht übel.‹
›Herr Felix Phellion‹, hat mir der Minister geantwortet, ›wird noch heute seine Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion erhalten; ich werde sie noch heute vormittag vom König unterzeichnen lassen; außerdem ist jetzt ein Platz in der Akademie der Wissenschaften freigeworden, und wenn Sie nicht Anspruch darauf erheben ...‹
›Ich in die Akademie?‹ unterbrach ich ihn mit meiner Freimütigkeit, die Du kennst. ›Ich verabscheue sie ja, diese Akademien: die sind dazu da, um alles zu dämpfen, die reinen Gesellschaften von Faulenzern, Verkaufsbuden mit einem großen Schild und nichts drin ...‹
›Nun,‹ sagte der Minister lächelnd, ›dann glaube ich, daß Herr Felix Phellion bei der nächsten Wahl alle Aussichten hat, worunter ich auch den Einfluß der Regierung rechne, der ihm schon im voraus sicher ist, soweit er in loyaler und rechtmäßiger Weise geltend gemacht werden
Weitere Kostenlose Bücher