Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
gestanden hat; hier ist nicht mal ein Bureaudiener, der mir eine Nummer geben kann.«
    »Ich habe sie hier«, sagte Minard und zog die so heiß ersehnte Nummer aus der Tasche; »wenn Sie den Artikel auch nicht verfaßt haben sollten, so haben Sie ihn doch wenigstens inspiriert, und jedenfalls steht er da.«
    Thuillier stürzte sich auf das Blatt, das ihm Minard gereicht hatte, und verschlang mehr, als daß er ihn las, folgenden Artikel:
    »Lange genug hat der Besitzer dieser wiederauferstandenen Zeitung, ohne sich zu beklagen und ohne darauf zu antworten, die feigen Insinuationen ertragen, mit denen eine käufliche Presse jeden Bürger überhäuft, der, unerschütterlich in seinen Überzeugungen, sich nicht unter das kaudinische Joch der Regierung beugen will. Lange genug hat sich ein Mann, der für seine Hingebung und Selbstverleugnung in seiner wichtigen Tätigkeit bei der Pariser Verwaltung Beweise gegeben hat, sagen lassen, daß er nur ein Ehrgeiziger und ein Intrigant sei. Herr Jérôme Thuillier hat von der Höhe seiner Würde mit Verachtung auf diese plumpen Beleidigungen herabgesehen; ermutigt durch sein verächtliches Schweigen haben bezahlte Schreiber erklären dürfen, daß seine Zeitung, die aus Überzeugung und aus uneigennützigstem Patriotismus geschaffen worden war, nur als Fußschemel der Spekulation auf ein Deputiertenmandat dienen sollte. Herr Jérôme Thuillier hat sich diesen Anwürfen gegenüber schweigend verhalten, weil die Gerechtigkeit und die Wahrheit geduldig sind, und weil er das Reptil mit einem einzigen Fußtritt zertreten wollte. Der Tag für diese Exekution ist jetzt gekommen.«
    »Verdammter Kerl, dieser la Peyrade!« sagte Thuillier, bei diesem Satze verweilend; »wie glänzend das gesagt ist!«
    »Großartig!« rief Minard.
    Dann fuhr Thuillier laut fort:
    »Jedermann, Freunde wie Feinde, werden Herrn Jérôme Thuillier das Zeugnis ausstellen, daß er nichts getan hat, um einer Kandidatur nachzulaufen, die ihm von selbst angeboten wurde.«
    »Das ist klar«, unterbrach sich Thuillier wieder. Dann las er weiter:
    »Aber da seine Anschauungen so gehässig gefälscht und seine Absichten so unwürdig entstellt worden sind, ist es Herr Jérôme Thuillier sich selbst und vor allem der großen nationalen Partei, in der er als bescheidener Soldat mitkämpft, schuldig, ein Exempel zu statuieren, das die elenden Sykophanten der Regierung vernichtet.«
    »La Peyrade schilderte mich wirklich sehr gut«, unterbrach Thuillier nochmals seine Lektüre, »ich begreife jetzt, warum er verboten hat, mir die Zeitung zu schicken, er wollte sich über meine Überraschung freuen ... Das die elenden Sykophanten der Regierung vernichtet«, wiederholte er nach dieser Bemerkung nochmals.
    »Herr Thuillier hatte bei der Gründung dieses Oppositionsorgans so wenig die Absicht, seine Kandidatur aufzustellen und aufrecht zu erhalten, daß er gerade jetzt, wo seine Wahl die besten und für seine Rivalen vernichtendsten Chancen hat, hier öffentlich in feierlichster, unbedingtester und unwiderruflichster Form erklärt, daß er auf seine Kandidatur verzichtet ...«
    »Was, was?« rief Thuillier, der falsch gelesen oder falsch verstanden zu haben glaubte.
    Da Thuillier, ganz verstört, nicht imstande zu sein schien, fortzufahren, nahm ihm Minard das Blatt aus der Hand und las an seiner Statt weiter:
    »Auf seine Kandidatur verzichtet und die Wähler ersucht, alle Stimmen, die sie ihm ehrender Weise zugedacht hatten, auf Herrn Minard, den Bürgermeister des elften Bezirks, seinem Freund und Kollegen in der städtischen Verwaltung zu vereinigen.«
    »Aber das ist ja eine Gemeinheit!« rief Thuillier, nachdem er seine Sprache wiedergefunden hatte, »Sie haben sich diesen Jesuiten, diesen la Peyrade gekauft ...«
    »Also,« sagte Minard, über Thuilliers Haltung verblüfft, »er hatte diesen Artikel mit Ihnen gar nicht vereinbart?«
    »Der Elende hat meine Abwesenheit benutzt, um ihn in die Zeitung einzuschmuggeln; jetzt kann ich mir auch erklären, warum er verhindert hat, daß mir die Nummer zugeschickt wurde.«
    »Was Sie da behaupten, mein Lieber,« sagte Minard, »wird aber allen Leuten sehr wenig glaubhaft erscheinen.«
    »Aber ich erkläre Ihnen, daß es ein Verrat, eine abscheuliche Hinterlist ist ... Ich auf meine Kandidatur verzichten! Warum sollte ich denn verzichten?«
    »Sie werden begreifen, mein Lieber,« sagte Minard, »daß ich es zwar sehr bedaure, wenn hier ein Vertrauensbruch vorliegt, aber ich habe

Weitere Kostenlose Bücher