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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Herz, »haben Sie von mir allgemeine Redensarten erwartet? ... Wir sind Bruder und Schwester, ... das ist alles.«
    Und er führte sie auf den Weg nach der Rue d'Enfer zurück.
    Flavia verspürte auf dem Grunde der Befriedigung, die die Frauen bei heftigen Gemütsbewegungen empfinden, ein Gefühl der Angst, und sie hielt es für das Erschrecken, das eine neue Liebesleidenschaft hervorruft; aber sie war beglückt und hüllte sich in tiefes Schweigen.
    »Woran denken Sie?« fragte Theodosius mitten auf dem Wege.
    »An alles, was Sie eben zu mir gesagt haben«, antwortete sie.
    »In unserm Alter«, entgegnete er, »hält man sich doch nicht mit Vorreden auf; wir sind keine Kinder mehr und befinden uns beide in einer Situation, wo man sich verständigen muß. Seien Sie aber jedenfalls überzeugt,« fügte er hinzu, als sie an die Rue d'Enfer gelangt waren, »daß ich Ihnen ganz gehöre.«
    Und er verbeugte sich tief vor ihr.
    »Nun sind die Eisen im Feuer«, sagte er zu sich und blickte seinem betäubten Opfer nach.
    Als er nach Hause zurückkehrte, fand Theodosius auf dem Treppenabsatze eine Persönlichkeit vor, die gewissermaßen ein unterseeisches Dasein in unserer Erzählung führt, und die sich mit einer unterirdischen Kirche vergleichen läßt, über der sich die Fassade eines Palastes erhebt. Der Anblick dieses Mannes, der zuerst vergeblich bei Theodosius geklingelt hatte, und nun eben bei Dutocq klingelte, ließ den provenzalischen Advokaten erschauern, aber nur innerlich, denn nichts an seinem Äußeren verriet seine tiefe Erregung. Dieser Mann war jener Cérizet, von dem Dutocq schon bei den Thuilliers als von seinem Sekretär gesprochen hatte.
    Cérizet, der noch nicht achtunddreißig Jahr alt war, sah aus wie ein Mann von fünfzig, so sehr gealtert war er infolge alles dessen, was einen Menschen alt macht. Sein Kopf und sein Haar ließen einen gelblichen Schädel sehen, den eine durch ihre Entfärbung rötlich schimmernde Perücke nur mangelhaft bedeckte; sein blasses, welkes, übermäßig rohes Gesicht erschien um so scheußlicher, als er eine zerfressene Nase hatte, die aber noch nicht so völlig zerstört war, daß er die Möglichkeit gehabt hätte, sie durch eine künstliche zu ersetzen: von ihrer Wurzel an der Stirn bis zu den Nasenlöchern hatte diese Nase noch ihre natürliche Gestalt; aber die Krankheit hatte die äußeren Nasenflügel zerfressen und nur zwei Löcher von merkwürdiger Form übriggelassen, die die Aussprache beeinträchtigten und die Worte entstellten. Die ursprünglich schönen Augen waren durch Elend jeder Art und durch um die Ohren geschlagene Nächte geschwächt, an den Rändern gerötet und zeigten tiefe Entstellungen; ihr Blick hätte, wenn ein Ausdruck von Bosheit hineingelegt würde, selbst Richtern oder Verbrechern, kurz, Leuten die vor nichts erschrecken, Angst einflößen können.

Der zahnlose Mund, der noch einige schwarze Stummel aufwies, hatte einen drohenden Ausdruck und ließ hier und da einen schaumigen Speichel sehen, der aber nicht auf die blassen schmalen Lippen trat. Cérizet, ein kleiner, mehr vertrockneter als magerer Mann, suchte für sein häßliches Gesicht durch seine Kleidung zu entschädigen, und wenn diese Kleidung auch keine gute war, so hielt er sie doch in sauberem Stande, was aber ihre Schäbigkeit vielleicht noch deutlicher hervortreten ließ. Alles an ihm erschien zweifelhaft wie sein Alter, seine Sprache, sein Blick. Es war nicht zu erkennen, ob er achtunddreißig oder sechzig Jahr alt war, ob seine blaue, verblaßte, aber eng anliegende Hose bald wieder modern sein würde, oder der Mode des Jahres 1835 entsprach. Seine abgetretenen, aber sorgfältig geputzten, dreimal geflickten Stiefel, die einst elegant waren, hatten vielleicht die Teppiche eines Ministers unter sich gehabt. Sein Überrock mit Schnüren, durch Regengüsse verwaschen, dessen Knöpfe ihren Grund durch den Überzug indiskret durchblicken ließen, zeigte in seinem Schnitt noch etwas von seiner früheren Eleganz. Die seidene hohe Krawatte ließ glücklicherweise die Wäsche nicht sehen, war aber hinten von den Zinken der Schnalle zerrissen, und die Seide hatte von der Fettigkeit, die die Perücke absonderte, einen andern Glanz erhalten. Die Weste mochte wohl, als sie neu war, sauber ausgesehen haben, es war aber ein Exemplar der Sorte, die zu vier Franken aus den Beständen der Händler mit fertigen Kleidungsstücken verkauft wird. Alles war sorgfältig abgebürstet, ebenso wie der

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