Die Kleinbürger (German Edition)
alten Jungfer beikommen und sie dann wie einen Kreisel gehen lassen können ... Wir dürfen uns nicht darüber täuschen! Fräulein Thuillier bedeutet hierbei für uns alles: haben wir sie auf unsrer Seite, dann ist die Sache gewonnen ... Reden wir nicht lange, aber deutlich, wie es sich für kluge Männer gehört. Mein früherer Sozius Claparon ist, wie Sie wissen, ein Dummkopf, und er wird sein ganzes Leben das, was er immer gewesen ist, bleiben: ein Strohmann. Augenblicklich dient er als Strohmann einem Pariser Notar, der sich mit Unternehmern zusammengetan hat, und die, der Notar wie die Maurermeister, pleite sind. Und Claparon sitzt in der Patsche; er hat noch niemals Bankerott gemacht, aber alles muß mal einen Anfang haben; augenblicklich hält er sich bei mir, in meinem Loch in der Rue des Poules, versteckt, wo ihn kein Mensch finden kann. Mein Claparon ist wütend, er hat keinen Heller; nun befindet sich unter den fünf oder sechs Häusern, die verkauft werden sollen, ein wahres Prachtstück von Haus, ganz aus echtem Stein gebaut, in der Gegend der Madeleinekirche – eine Fassade wie die Schale einer Netzmelone, mit entzückenden Skulpturen – das aber, da es noch nicht ganz fertig ist, für höchstens hunderttausend Franken weggehen wird; bei einer Anzahlung von fünfundzwanzigtausend Franken kann man in zwei Jahren hiervon eine Rente von etwa zehntausend Franken haben. Wer dieses Grundstück Fräulein Thuillier verschafft, der kann alles von ihr verlangen, wobei man ihr zu verstehen geben muß, daß sich ein ebensolcher Gelegenheitskauf alle Jahre finden wird. Eitle Menschen fängt man damit, daß man ihrer Eigenliebe schmeichelt, oder ihnen droht, Geizige damit, daß man ihren Geldbeutel attakiert oder ihn füllt. Und da, alles erwogen, für die Thuilliers arbeiten bedeutet, für uns arbeiten, so muß man sie bei dieser Sache verdienen lassen.«
»Und der Notar,« sagte Dutocq, »warum läßt der sich das entgehen?«
»Der Notar, mein lieber Junge? Der ist ja gerade unser Glück! Er ist genötigt, seine Stelle zu verkaufen, da er auch sonst ruiniert ist, und hat sich dieses Stückchen aus dem Rest des Kuchens vorbehalten. Weil er diesen Esel von Claparon für ehrlich hält, hat er ihn beauftragt, einen vorgeschobenen Käufer für ihn zu finden; denn er muß ebenso vertrauensvoll wie klug sein. Wir werden ihn nun glauben lassen, daß Fräulein Thuillier ein anständiges Fräulein ist, das dem armen Claparon ihren Namen leihen will, und so werden sie alle beide hineingelegt werden, Claparon und der Notar. Ich bin dieses kleine Geschenk meinem lieben Claparon schuldig, der mir damals bei der Gründungsgeschichte alle Schuld aufgebürdet hat, wo wir von Couture betrogen wurden, in dessen Haut zu stecken ich Ihnen nicht wünschen möchte!«, sagte er, und ein Strahl teuflischen Hasses brach aus seinen trüben Augen. »Ich habe gesprochen, meine hohen Herren!« fügte er mit lauter Stimme hinzu, die ganz durch die Löcher seiner Nase drang, und nahm eine theatralische Haltung an, denn in einer der Zeiten seines äußersten Elends war er auch Schauspieler gewesen.
Als er seine Darlegung beendet hatte, klingelte es an der Tür, und la Peyrade erhob sich, um zu öffnen.
»Sind Sie immer noch mit ihm zufrieden?« sagte Cérizet zu Dutocq. »Er macht mir einen so merkwürdigen Eindruck ..., ich verstehe mich doch auf Verräterei.«
»Er ist so vollkommen in unsern Händen,« sagte Dutocq, »daß ich mir nicht die Mühe nehme, ihn zu beobachten; aber, unter uns gesagt, ich hielt ihn nicht für so klug, wie er ist. Wir hatten geglaubt, auf ein Rennpferd einen Mann gesetzt zu haben, der nicht reiten kann, und jetzt zeigt sichs, daß der Kerl ein alter Jockey ist! So stehts ...«
»Er mag sich in acht nehmen!« sagte Cérizet dumpf, »ich kann ihn umblasen wie ein Kartenhaus. Aber Sie, Papa Dutocq, Sie können ihn ja bei der Arbeit sehen und ihn jeden Augenblick beobachten; passen Sie auf ihn auf! Übrigens habe ich eine Möglichkeit, ihm auf den Zahn zu fühlen, ich werde ihm von Claparon den Vorschlag machen lassen, sich unsrer zu entledigen, und dann werden wir ja sehen ...«
»Das wäre nicht übel«, sagte Dutocq, »du bist nicht blöde.«
»Man versteht sein Handwerk, das ist alles!« sagte Cérizet.
Diese Worte wurden leise gesprochen, während Theodosius bis zur Tür ging und wieder zurückkam. Cérizet musterte alles im Arbeitszimmer, als der Advokat wieder erschien.
»Es ist Thuillier,« sagte
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