Die kleine Hexe
gut werden!
„Aufgepasst!", sagte die Oberhexe, als alle anderen Hexen gesprochen hatten. „Wenn ihr verlangt, dass die kleine Hexe bestraft werden soll ..."
„Wir verlangen es!", lärmten die Hexen im Chor und am lautesten lärmte die Muhme Rumpumpel.
„... dann schlage ich vor", rief die Oberhexe, „dass wir ihr einfach den Besen wegnehmen und sie zu Fuß auf den Heimweg schicken! Drei Tage und Nächte lang wird sie zu laufen haben, bis sie in ihren Wald kommt - das reicht."
„Das reicht nicht!", schrie die Wetterhexe Rum-pumpel; aber die anderen meinten, das könne man hingehen lassen. Sie nahmen der kleinen Hexe den Besen weg, warfen ihn lachend ins Feuer und wünschten ihr eine gute Reise.
Rachepläne
Das wurde ein langer, beschwerlicher Heimweg! Drei Tage und drei Nächte brauchte die kleine Hexe dazu. Mit wunden Füßen und durchgelaufenen Schuhsohlen kam sie am Morgen des vierten Tages zu Hause an.
„Dass du nur endlich zurück bist!", empfing sie der Rabe Abraxas. Er saß auf dem Schornstein des Hexenhauses und hatte besorgt nach ihr Ausschau gehalten. Als er die kleine Hexe erspäht hatte, fiel ihm ein Stein von der Rabenseele. Er spreizte die Flügel und flatterte ihr entgegen.
„Du machst mir ja schöne Geschichten!", krakeelte er. „Tagelang treibst du dich in der Welt herum und ich sitze daheim und bin ratlos!" Er hüpfte von einem Bein auf das andere. „Wie du nur aussiehst! Von oben bis unten voll Staub! Warum humpelst du übrigens? Bist du zu Fuß gekommen? Ich dachte, du hättest den Besen mit!"
„Hatte ich", seufzte die kleine Hexe.
„Hatte ich?", krächzte Abraxas. „Was heißt das?"
„Das heißt, dass er futsch ist."
„Der Besen ...?"
„... ist futsch", wiederholte die kleine Hexe.
Nun ging dem Raben ein Licht auf. Er legte den Kopf schief und meinte: „Sie haben dich also erwischt? Das war ja vorauszusehen. Es hätte mich sehr gewundert, wenn sie dich nicht erwischt hätten! Aber du hast's ja nicht anders verdient."
Der kleinen Hexe war alles einerlei. Schlafen!, dachte sie, schlafen! Sie humpelte in die Kammer und ließ sich aufs Bett fallen.
„He!", rief Abraxas entrüstet. „Willst du nicht wenigstens deine staubigen Kleider ausziehen?"
Aber sie schnarchte schon.
Wie ein Murmeltier schlief sie, bis weit in den anderen Morgen hinein, Als sie aufwachte, hockte Abraxas auf ihrem Bettpfosten.
„ Ausgeschlafen?"
„So ziemlich", sagte die kleine Hexe und gähnte.
„Dann wird man wohl endlich erfahren dürfen, was los war?"
„Erst frühstücken!", brummte die kleine Hexe. „Mit leerem Magen erzählen, das ist nichts."
Sie frühstückte reichlich und ausdauernd. Als sie beim besten Willen nicht weiterkonnte, schob sie den Teller fort und berichtete.
„Da hast du bei allem Leichtsinn noch Glück gehabt!", sagte der Rabe zum Schluss. „Nun vergiss aber nicht, bis zum nächsten Jahr eine gute Hexe zu werden!"
„Ich werde mir Mühe geben", versprach sie. „Von nun an will ich nicht sechs, sondern sieben Stunden am Tag üben. Und außerdem werde ich noch etwas anderes tun - etwas ebenso Wichtiges ..."
„Was denn?"
Die kleine Hexe verzog das Gesicht. Sie schaute sehr grimmig drein. Dann erklärte sie, Silbe für Silbe betonend: „Ich - werde - mich - rächen!"
„An wem?"
„An der Muhme Rumpumpel! Das Biest ist doch schuld an der ganzen Geschichte! Sie hat mich den anderen Hexen verraten, nur sie! Ihr verdanke ich's auch, dass ich wunde Füße und durchgelaufene Schuhsohlen habe! Wer hat denn die anderen gegen mich aufgehetzt? Wer hat als Allererste gefordert, dass mich die Oberhexe bestrafen soll? Nicht einmal das mit dem Besen hat ihr genügt. Sie hat immer noch weitergezetert."
„Gewiss", meinte der Rabe, „das war eine ausgemachte Gemeinheit von ihr. Aber Rache nehmen ...?"
„Ich werde ihr einen Schweinsrüssel anhexen!", zischte die kleine Hexe. „Und Eselsohren und Kälberfüße! Unter das Kinn einen Ziegenbart - und als Anhängsel hintendran einen Kuhschwanz!"
„Kuhschwanz und Ziegenbart?", dämpfte Abraxas. „Als ob du die alte Rumpumpel mit so etwas ärgern könntest! Sie ist eine Hexe wie du - und sie wird sich im Handumdrehen das Zeug wieder weghexen."
„Meinst du?" - Die kleine Hexe sah ein, dass mit Eselsohren und Kälberfüßen in diesem Fall nichts zu machen war, und entgegnete: „Lass mal! Mir wird schon noch etwas Besseres einfallen! Etwas, womit auch die Muhme Rumpumpel nicht ohne Weiteres fertig wird. Glaubst du
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