Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
als früher, auch wenn nach wie vor gilt, dass das Klima dem Tauziehen der Disziplinen ausgesetzt ist. Die Naturwissenschaften beanspruchen das Klima eifersüchtig für sich und betrachten andere Disziplinen allenfalls als Helfer, um die eigenen Ergebnisse besser kommunizieren zu können und Daten für ihre Modelle zu bekommen. Erst langsam wird das Klima als ein Gegenstand jenseits der Disziplingrenzen wahrgenommen.
Bis die Klimaforscher wirklich anerkennen, dass sowohl das Klima als auch seine Erforschung eine politische, soziale und kulturelle Geschichte haben, werden sicher noch einige Jahre vergehen. Dies erfordert einen Perspektiven- und auch einen Stilwechsel. Es braucht den Mut, den Klimawandel nicht nur auf seine Daten reduziert zu verstehen, sondern als Fortsetzung einer großen Klimaerzählung, die uns in immer neuen Formationen am Lagerfeuer zusammenbringt.
Die große Klimaerzählung
Klimaforschung wird oft so dargestellt, als ob es sich dabei um das Entdecken einer Wahrheit handele, welche die Forscher zum Wohle aller der Öffentlichkeit und der Politik mitteilen, am besten noch verbunden mit einer Handlungsanweisung. Zu diesem Eindruck tragen die Forscher selbst oft genug bei, denen ein solches Verständnis schmeichelt. Um ein realistischeres Bild der Klimaforschung zu zeichnen, muss man manchmal zu ganz anderen und auf den ersten Blick überraschenden Mitteln greifen. Die Literatur und die Kunst sind den Wissenschaften in Hinsicht auf die Genauigkeit und Aufmerksamkeit, die sie den Dingen widmen, sicherlich ebenbürtig. Die Kunst der exakten und dichten Beschreibung auf Basis einer genauen Beobachtung findet sich in der Ethnographie genauso wie im Journalismus. Beide sind fähig, soziale Vorgänge in einer atmosphärischen Dichte wiederzugeben. Es ist ein Glücksfall, dass es ein solches Kunststück,eine solche dichte Beschreibung über das Max-Planck-Institut auf der Höhe seines Ruhms Ende der neunziger Jahre gibt. Sie gewährt einen Einblick in die Atmosphäre, in der die damalige Klimaforschung stattfand.
(1) Auf den Spuren des Klimas: Ernst Maier-Reimer, Klaus Hasselmann und Mojib Latif vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg
Der Journalist Peter Sartorius veröffentlicht 1997 in der Süddeutschen Zeitung eine Reportage über das Max-Planck-Institut in Hamburg. 15 Er taucht in die Welt der Klimaforschung ein und nimmt den Leser mit auf eine Reise, die sowohl in die Realität als auch in den Mythos der Wissenschaft führt. Er zeigt den Lesern verschiedene Abteilungen des Instituts und macht sie mit den Wolken- und Vulkanuntersuchungen, der Ozeanographie und der El-Niño-Forschung bekannt; er streift die Sorgen der Modellierer und schildert das Potenzial der neuen Hochleistungscomputer und erläutert, dass alle Bereiche hochspezialisiert und doch miteinander verbunden sind durch die stetige Arbeit am Klima. Bei dieser geht es inden Worten des Journalisten um nicht weniger als darum, „… gedanklich die Voraussetzung für eine Hochrechnung zu schaffen, für ein Modell, für eine Weltformel, in der alle Erscheinungen der Natur enthalten und in Relation gebracht worden sind“.
Sartorius stellt dieses natürlich niemals vollendbare Projekt als eine Art homerischer Reise dar. Er geizt nicht mit Anspielungen, schon der Titel gemahnt an die Odyssee : „In Sandalen die Welt von morgen suchen“. Die Reportage ist bebildert mit einer Fotografie der drei Klimaforscher Klaus Hasselmann, Mojib Latif und Ernst Maier-Reimer, die das Max-Planck-Institut maßgeblich mitgeprägt haben: Man sieht sie wie drei verwegene Reisende vor einem Gemälde aus dem 16. Jahrhundert gruppiert, das die ganze Wand bedeckt und eine Schöpfungsgeschichte darstellt:
„Ein anderes Kunstwerk, Botticellis Geburt der Venus, bedeckt die Wand, und man denkt sich: Wenn die Klimaforschung doch nur so bildhaft darzustellen wäre. Der Wind aus Engelsmund. Die Wolken als wehender Teppich. Der Ozean als gewellte Muschel.“
Und in der Mitte steht die nackte Venus auf der Muschel. Der damalige Direktor Klaus Hasselmann scheint fast in ihr zu sitzen, mit „silbergrauem Bart“, wie Sartorius erwähnt; der Klimaforscher Mojib Latif stützt sich mit einer Hand auf den Bauch der Venus, während der Modellierer Maier-Reimer mit verschränkten Armen neben ihr steht, den Kopf ihr zugeneigt. Alle drei schauen mit kühnem Blick in die Kamera, wie es Erforschern der Erde, des Meeres und des Himmels geziemt. Sie sind, so sagt das
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