Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
sich.
Gleichzeitig investierte das zuständige Bundesministerium für Wissenschaft und Technologie bzw. Bildung und Forschung erheblich in die Klimaforschung, durch wiederholte Großinvestitionen in das Deutsche Klimarechenzentrum in Hamburg, aber auch durch eine erhebliche Projektfinanzierung.
Dabei vergrößerte sich die Bandbreite der naturwissenschaftlichen Fragestellungen, etwa im Hinblick auf die Stoffkreisläufe, insbesondere Kohlenstoff. Mit Blick auf die Paläoklimaforschung wurde versucht, die gegenwärtige Veränderung vor dem Hintergrund historischer Entwicklungen im Hinblick auf die Klimawirkung besser einordnen zu können. Auf der Methodenseite vervollständigten und verbesserten sich die Klimamodelle, die anfangs nur eine Atmosphäre bzw. eine Atmosphäre mit einem als Sumpf beschriebenen Ozean darunter umfassten; heute ist da ein dynamischerOzean, eine Darstellung von Eis und Schnee, von Erdoberfläche samt Vegetation und andere Komponenten. Auf immer größeren und schnelleren Rechenanlagen können immer längere und komplexere Computer-Codes für immer längere Zeiten gerechnet und so Simulationen des Klimasystems unter verschiedenen Bedingungen durchgeführt werden.
All dies geschah unter einer Hauptfragestellung: Wie schlimm ist es mit dem menschengemachten Klimawandel? Wie stark ist das Argument für den Klimaschutz, also dafür, die Emissionen bzw. Emissionssteigerungen unbedingt zu mindern? Es gab zwar auch Forschung nach alternativen Erklärungen der in den 1990er Jahren deutlich werdenden Erwärmung, etwa im Hinblick auf die Sonne, aber diese war erheblich kleiner dimensioniert als jene, welche die Gründe in den Treibhausgasen sah. Auch Fragen der Anpassung, später auch die Frage des Geoengineering wurden bearbeitet, aber immer auf Sparflamme. Der entscheidende Gesichtspunkt war der „Klimaschutz“, also der Schutz des Klimas vor dem Menschen und seinen Gasfreisetzungen. Dies lag nicht nur an einer entsprechenden Steuerung der Fördermittel durch das Ministerium, sondern auch an den Interessen einzelner Forscher.
Anpassung an den Klimawandel
Während all dessen spielte die Frage der Anpassung an den Klimawandel in Forschung und Diskurs kaum eine Rolle. Im Jahr 2003 gab Hans von Storch dem Spiegel ein Interview mit dem Titel „Wir werden das wuppen“, in dem er dem dominanten „Klimaschutz“ den „Schutz des Menschen vor dem Klima“ gegenüberstellte. Sein Hauptargument war, dass eine tatsächliche Reduktion des Anstiegs der globalen Emissionen nicht erkennbar war und selbst bei einer erfolgreichen Umsetzung des 2-Grad-Ziels ein weiterer Anstieg um 1,3 Grad zu erwarten sei – schließlich ist die Temperatur ja seit Anfangder Industrialisierung in der Mitte des 19. Jahrhunderts erst um 0,7 Grad gestiegen. Das Interview hatte den Tenor, dass man sich auch der Anpassung 16 an den Klimawandel widmen müsse. Da man womöglich bereits in der Gegenwart erste Folgen des Klimawandels zu gewärtigen habe – was allerdings in jedem einzelnen Fall immer zu hinterfragen sei – liege es doch nahe, auch der Anpassung an die zu erwartenden noch schwereren Folgen des Klimawandels große Aufmerksamkeit zu widmen. 17
Die Reaktion auf das Interview war gemischt, wie wohl immer bei solchen Meinungsäußerungen, aber die meisten Klimaforscher empfanden es als eine Art Nestbeschmutzung. Zustimmung gab es allenfalls im persönlichen Gespräch, aber nicht öffentlich. Allzu leicht, so die Befürchtung, könnten solche Äußerungen als Anschlag auf die Klimaschutzpolitik verstanden werden, als Vorschlag, die Bemühungen für Emissionsminderungen einzustellen und stattdessen nur auf Anpassung zu setzen. Hier griff ein Mechanismus, der sich durch die gesamte Klimadebatte zu ziehen scheint: Wer die Konzentration auf die einzig richtige politische Linie – Emissionsminderung zur Vermeidung des Klimawandels – in Frage stellt, wird verdächtigt, ein Gegner der „richtigen“ Klimapolitik zu sein. Dies ist ein weiterer Preis, den die Klimawissenschaft zu zahlen hatte: der Verzicht auf die offene Debatte, die der Motor jeden wissenschaftlichen Fortschritts ist.
Inzwischen hat sich die Lage allerdings entspannt, und Anpassung ist zu einem legitimen Thema geworden. In Folge hat sogar das Bundesministerium für Umwelt im Jahr 2008 eine „Deutsche Anpassungsstrategie“ (DAS) beschlossen. In viele regionale und lokale Planungsprozesse, etwa im Hinblick auf Küstenschutz, gehen Überlegungen ein, wie man auf
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