Die Klimaprioritaeten
Permanenz«, sagt Anna Lehmann, Projektmanagerin von der First Climate Group in Frankfurt am Main, eine Firma, die Emissionsrechte kauft und verkauft. Dennoch, seit einem Jahr investiert First Climate zunehmend in Waldschutzprojekte. Das liegt auch daran, dass mehr Unternehmen, die Emissionen verringern müssen, solche Projekte nachfragen. Lehmann beobachtet einen Mentalitätswechsel. Waldschutz lässt sich gut vermarkten |87| und spricht das Herz der Verbraucher an. »Der Wind beginnt sich zu drehen.«
First Climate arbeitet vor allem mit Costa Rica zusammen, dem Musterland tropischer Waldwirtschaft. Das Land ist klein, überschaubar, verfügt über ein solides Staatswesen und ein effektives Überwachungssystem. Es hat früh verstanden, dass der Wald eine der wichtigsten Ressourcen ist. Costa Rica unterscheidet sich von anderen tropischen Waldländern aber vor allem dadurch, dass es viel Privatwald gibt, einen relativ breiten »ländlichen Mittelstand«, wie es Lehmann nennt. Darum ist das Eigeninteresse, den Wald zu erhalten, groß. In Costa Rica könne man direkt mit der staatlichen Verwaltung
zusammenarbeiten
. »Woanders würden wir den Teufel tun, dies zu machen.«
Auch wenn mehr Geld aus dem Emissionshandel allein keinen Unterschied macht, so lange die Staatsapparate in Indonesien oder Brasilien marode sind, kann er das Schiff vielleicht langsam über die Sandbank heben. Kann im günstigen Fall ein Hebel sein, damit die Länder in einem ersten Schritt die Grundlagen für eine nachhaltige Forstwirtschaft schaffen, um dann in einem zweiten Schritt konkrete Vorhaben zu gestalten. »Ich bin überzeugt, dass Emissionshandel dem Waldschutz dienen wird, ihm eine neue Dynamik verleihen wird«, erklärt Sebastian Scholz, der Weltbank-Förster aus Washington.
Diese Erkenntnis wünscht man auch den EU-Beamten in Brüssel.DochsiereitenlieberaufdengenanntenRisikenherum, die sich minimieren lassen, werden Wälder solide bewirtschaftet, und wischen die Chancen beiseite. Dies verwundert, sagt die EU doch ja zu Aufforstungsprojekten im Kyoto-Protokoll, aber nun nein zum Schutz stehender Wälder. Beides gehört allerdings zusammen. Will man Entwaldung verhindern, muss aufgeforstet werden. Es verblüfft überdies, wie optimistisch |88| die Europäische Kommission ist, wenn es um die Unwägbarkeiten neuer Technologien wie der CO2-Speicherung geht. Woher diese Diskrepanz? Der Wald hat keine mächtige Lobby wie die Kohleindustrie und Energieversorger. Und die Idee von REDD ist von Umweltverbänden seit Jahren diskreditiert worden. Das Motiv dahinter – die reichen Staaten würden sich aus den eigenen Verpflichtungen freikaufen – mag man ehrenhaft finden, ist aber für das Klima wenig hilfreich.
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Ich frage Rizaldi Boer in Indonesien, wie er eine Million Euro sinnvoll und erfolgversprechend in Waldschutz investieren würde. »In der Waldregion, die ich aussuche, würde ich mit allen Beteiligten sprechen. Ich betone: allen.« Sie informieren. Ihre Perspektiven hören. Ihre Interessen. Ein umfassendes Bild der Lage vor Ort erhalten. Dann würde er verbindliche Vereinbarungen treffen mit allen Beteiligten: Beamten, Bauern, Unternehmern, Umweltschützern. »Anders funktioniert es nicht.« Entscheidend sind dann glaubhafte, gut trainierte und pragmatische Organisationen vor Ort, die sich auskennen, aufklären, informieren, überwachen. Dann müsste das Vorhaben in Programme und Strukturen der Provinzregierung integriert werden, die die lokale Wirtschaft entwickeln sollen.
Die Richtung für den Erfolg ist von unten nach oben.
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Kapitel 3 Biosprit: Gut gemeint ist noch nicht gut gemacht
»Selbst wenn wir die gesamte Maisernte der USA zu Kraftstoffverarbeitet würden, nichts übrig behielten für Lebensmittelund Tierfutter, würde dies nur 12 Prozent unseres Benzinbedarfs decken.«
Union of Concerned Scientists, USA
»Jatropha ist ein Traum, der für die Industriestaaten wahr wird, ein Gutfühlprojekt. So müssen sie ihren Verbrauch zu Hause nicht einschränken.«
Dr. Suman Sahai, Gene Campaign, Neu Delhi
CS Patel hat zum ersten Mal in seinem Leben eine Steckdose. Sie klebt noch nackt an der blauverschmierten Lehmwand in seinem Haus. Was er dort anschließen wird, weiß er noch nicht. Vielleicht ein Radio. Er spricht kein Englisch, lächelt nur. Und zeigt auf die Lampe, die den Innenraum seines kargen Hauses beleuchtet. Er hat vielen europäischen Haushalten etwas voraus: eine Energiesparlampe.
Der Mann
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