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Die Klimaprioritaeten

Titel: Die Klimaprioritaeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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Forstinventare, wissen nicht, wie viel ihres Territoriums mit Wald bedeckt ist und wie viel jährlich abgeholzt wird«, sagt Sebastian Scholz, Förster und Klimaschutzexperte in der
Lateinamerika-Abteilung
der Weltbank. Wie es seiner Ansicht funktionieren kann: Für jede einzelne Situation muss im Detail untersucht werden, wo die Ursachen für Entwaldung liegen, wer verantwortlich und betroffen ist. Alle Beteiligten müssen dann am Ende in die Waldschutzprojekte einbezogen werden.
    So ähnlich machte es Christopher Clark. Und er ist damit erfolgreich. In Brasilien, in Rio Jauaperi. Mitten im Amazonaswald. Wo sich die Bundesstaaten Amazonia und Roraima treffen und nur einige Hundert Menschen leben. 30 Stunden |80| mit dem Boot von Manaus entfernt. Der Brite will den Beweis antreten, dass es auch hier möglich ist, den Wald gemeinsam mit den Einheimischen zu bewahren. Er telefonierte mit mir über Skype und Satellit aus seinem Holzhaus. Er erzählt, wie er 1984 mit 23 Jahren erstmals in die Amazonasregion reiste, fasziniert danach jedes Jahr wieder zurückkehrte, bis ihn der Dorfälteste irgendwann fragte, ob er nicht bleiben und helfen wolle, für eine bessere Schulbildung zu sorgen und den Wald zu retten – einen der artenreichsten Urwälder der Welt. Er blieb. Seine Bedingung: »Ich helfe euch Geld zu verdienen und ihr lasst den Wald stehen.«
    Dafür gründete Clark die Amazon Association – eine Art Allmende. Jeder Bewohner verkaufte ihr seine von der Bundesregierung erhaltenen Nutzungsrechte (der erste Schritt zum vollen Eigentumsrecht, das sich die meisten Bewohner jedoch nicht leisten können, da der bürokratische Prozess teuer und schleppend ist). Das Gemeinschaftseigentum umfasst nunmehr 178 000 Hektar Wald. Ökotouristen, Wissenschafter, Dokumentarfilmer kommen, um ihn zu bestaunen und zu untersuchen. Sie finanzieren so den Lebensunterhalt der Waldbewohner. Demnächst verkaufen sie vielleicht auch
Emissionsgutschriften
für das gespeicherte Kohlendioxid in ihren Bäumen. Chancen und Käufer lotet Clark gerade aus. Mehr will er dazu nicht sagen.
    Seit sieben Jahren ringt Clark mit den Beamten des
Umweltministeriums
in Brasilia, um das gesamte Gebiet als Naturschutzpark auszuweisen. Das Dekret von Präsident Lula sei nun endlich unterschriftsreif und könne jeden Tag besiegelt werden, berichtet er. Damit würden die Bewohner zu vollen Eigentümern dieser Waldregion. »Es ist ihr Land, und sie bestimmen, was damit passiert.« Dass mit diesem Modell auch Geld verdient werden kann, lockt Dorfbewohner wieder zurück, die |81| noch vor wenigen Jahren in die Großstädte gezogen sind, um dort ihr Glück zu versuchen.
    Clarks Botschaft an die Weltbank und Emissionshändler: Ohne die Bevölkerung direkt einzubeziehen, kommt man nicht weit. Gelder versickern rasch in öffentlichen Kanälen. Verantwortung und Rechenschaft sind unklar. Es gibt zu viel Korruption. Hochrangige Beamte und Minister mögen ehrenwerte Absichten haben, aber die darunter liegende Bürokratie versagt. Andererseits, direkt mit der Bundesregierung verhandeln, Druck auf sie ausüben wie im Falle Rio Jauaperi, dabei die Provinzen zu umschiffen, sei eine Chance. Schließlich besitzt die Regierung in Brasilia viel Land. Sie vergibt die Konzessionen. An Bergbaufirmen, Holzfirmen und Plantagenbetreiber. Und sie ist Herr über den Wald.
    Laut Gesetz. Nicht jedoch im richtigen Leben. Brasilien hat in den vergangenen 40 Jahren 20 Prozent seines Regenwaldes im Amazonastiefland verloren. Kahlschlag und Waldbrände sind verantwortlich für 75 Prozent der brasilianischen
Treibhausgasemissionen
. Zwar gab es zwischen 2005 und 2007 kleine Erfolge. Die Entwaldungsrate ging um 59 Prozent zurück, und die Regierung in Brasilia klopfte sich dafür auf die Schulter. Sie hatte harte Strafen eingeführt für jene Händler, die Rindfleisch und Soja verkaufen, das auf illegal gerodeten Waldflächen produziert wird, wollte Hunderte neue Waldpolizisten einstellen, die 1 600 Inspektoren unterstützen sollen, die bereits durch die Wälder streifen. »Wir haben viele gute Absichten, Pläne und Gesetze, Entwaldung zu bekämpfen«, sagt Marcelo Furtado von Greenpeace Brasilien. »Aber sie leiden alle darunter, schlecht umgesetzt zu werden. Es fehlt der politische Wille, aber vor allem fehlen Ressourcen.« Strukturell hat sich nichts geändert. Das
Umweltministerium
hat nicht genug Geld. Die Polizei hat keine Helikopter und Inspektoren haben nicht genug Benzin für ihre

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