Die Klimaprioritaeten
Autos.
|82| Das Beharren auf Gesetzestreue ist redlich, führt jedoch in Ländern wie Brasilien oft nicht weiter. Zu mächtig ist der Markt. Zu groß der Nachfragedruck. Die Landwirtschaftssupermacht Lateinamerikas ist weltweit größter Exporteur von Rindfleisch, Baumwolle und Zucker und liegt immer stärker auch im Fadenkreuz Asiens. Neue Weiden für Rinder treiben den größten Keil in den Wald der Amazonasregion, zwei Drittel des Kahlschlags gehen auf ihr Konto. Inzwischen sind die kleinen Erfolge bereits Geschichte, die Entwaldungsrate ist wieder deutlich gestiegen.
John Carter, Direktor von Alianca da Terra, einer Organisation im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso, die
Umweltbewusstsein
unter Farmern fördert und diese mit Umweltschützern an einen Tisch bringt, weitet die Perspektive. Er erklärt, Greenpeace & Co. kümmern sich um Regeln und darum, warum diese schlecht sind oder nicht eingehalten werden. Doch sie übersehen, dass es sich bei Entwaldung um Grenzvorstöße handelt. Historisch betrachtet habe niemand jemals Gesetze in solchen Grenzräumen beachtet, sei es in Europa oder den USA. Er glaubt, nur der Markt helfe hier weiter. Produzenten von Rindfleisch oder Soja bräuchten mehr Marktanreize, um Wälder zu schützen. Sicher, Farmer sollten Gesetze befolgen, sagt er, doch sie sollten davon einen Nutzen haben. »Restriktionen müssen mit Marktvorteilen gekoppelt sein.«
Carter setzt sich ein für einen besseren Marktzugang der Farmer in seiner Region. Versucht Abnehmer zu finden, die gewillt sind, einen Aufpreis zu zahlen, für Produkte, die den Regenwald nicht zerstören. »Die Welt muss viel genauer hingucken, wie Lebensmittel produziert werden. Farmer sind das unterste Glied der Warenkette. Sie verdienen sehr wenig. Aber sie sind diejenigen, die den Wald erhalten müssen und können. Also müssen sie dafür belohnt werden und es in der Geldbörse spüren.«
Am Ende geht es auch hier, wie in Indonesien beim Produzieren |83| von Palmöl, um Opportunitätskosten. Der Aufpreis entschädigt den Farmer, der mehr Wald roden will, um mehr Rinder zu halten, dafür, dies nicht zu tun. Als Kompensation will Carter auch den Emissionshandel nutzen. Er setzt auf den Schutz bestehender Wälder, weniger auf Aufforstung. »Was hier verloren ist, ist verloren«, konstatiert er. Da das
REDD-Instrumentarium
aber wahrscheinlich erst in einem
Nachfolgevertrag
des Kyoto-Protokolls geregelt sein wird, bereitet er Farmer aus der Region für den Tag X vor. Zehn Rinderfarmen hat er ausgewählt und berechnet mit Wissenschaftlern die
CO2-Speicherkapazität
der noch existierenden Wälder. »Wenn es so weit ist, sind wir bereit.«
Wie viel eine Emissionsgutschrift kosten müsste, damit es sich rechnet, den Wald stehen zu lassen, statt ihn für Rinderzucht oder Sojaanbau zu roden, hat der Umweltwissenschaftler Rhett A. Butler von mongabay.com ausgerechnet. Rinderfarmer in Brasilien können heute Einnahmen aus ihrer Viehzucht von 3 000 US-Dollar netto je Hektar erwarten. Ein Hektar Amazonaswald speichert etwa 550 Tonnen Kohlendioxid. Bei einem Preis von 5,38 US-Dollar pro Tonne Kohlendioxid wären
Emissionsgutschriften
genauso lukrativ wie die Viehzucht, darüber sogar gewinnbringender. Mit Sojaanbau verdienen Farmer zwischen 550 und 3 300 US-Dollar pro Hektar netto, je nach Bewirtschaftung. Bei einem Preis von 2,5 bis 6,1 US-Dollar pro Tonne Kohlendioxid wären Emissionsgutschriften bereits kostendeckend.
Rabobank, die holländische Raiffeisenbank, finanziert ein Pilotprojekt in Mato Grosso, in der Xingu Region, der »Zone der Zerstörung« im Amazonasbecken, und möchte so handelbare Emissionsgutschriften gewinnen. Die Bank zahlt acht Soja- und Rinderfarmen 56 000 Euro. Das Geld soll die Farmer für entgangene Erträge entschädigen, wenn sie bestehende Wälder |84| nicht roden. Es soll ferner die Kosten tragen, Waldareale an Flussufern, die besonders stark von Erosion betroffen sind, wieder aufzuforsten. Mögliche Emissionsgutschriften können dann an Unternehmen oder Privatpersonen in Europa verkauft werden, die ihre eigenen Emissionen ausgleichen wollen oder müssen. Die Kosten pro Emissionsgutschrift sollen zwischen 2 und 15 US-Dollar liegen. Bei Erfolg will Rabobank seine eigenen Emissionen verstärkt durch Waldschutzprojekte
ausgleichen – die Erlöse für die Bewohner in Waldregionen wären dann Millionen-Beträge.
»Wälder müssen endlich einen Preis bekommen. Sie brauchen Eigentümer. Es ist ein
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