Die Klimaprioritaeten
Rohstoffe werden weltweit rasant vergrößert. In Deutschland allein haben sie sich in den vergangenen zehn Jahren verfünffacht. Gelbe Rapsfelder bedecken halb Mecklenburg und Brandenburg. Die deutschen Landwirte freuen sich. Sie verdienen sogar wieder gutes Geld. Die unsinnige EU-Politik, Bauern Prämien zu zahlen, damit sie ihre Äcker brach liegen lassen, hat auch endlich ein Ende. Doch Raps verdrängt Getreide, dessen Knappheit sich in höheren Weizenpreisen widerspiegelt.
Im Mittleren Westen der USA schießen Ethanol-Fabriken aus dem Boden. Die Farmer in Iowa haben noch vor wenigen Jahren Soja und Mais im Wechsel angebaut. Nun steigen sie komplett auf Mais um. Das heißt, Soja muss woanders produziert werden. Und Agro-Konzerne wie Archer Daniels Midland und Cargill destillieren den Mais jetzt lieber, als ihn zu Mehl zu verarbeiten. Mehr Raps in Europa und mehr Mais in den USA – beides |95| sorgt verstärkt dafür, dass dem Regenwald der Garaus gemacht wird.
Das liegt an den Dominoeffekten auf den internationalen Agrarmärkten. Höhere Maispreise zum Beispiel ermuntern Farmer in den USA, die Anbauflächen für Mais auszuweiten. Da Ackerland für Soja auch für Mais gut genug ist, wird mehr Mais auf ehemaligen Sojaflächen angebaut. Gleichzeitig steigt die Nachfrage für Soja, da aus seinem Öl in Lateinamerika nun auch Biodiesel hergestellt wird und in Asien und Europa mehr Soja für die Viehzucht verfüttert wird. Dadurch klettern die Sojapreise. Die Preise für andere Pflanzenöle wie Palmöl schnellen damit ebenfalls in die Höhe, da sie zum Teil das sinkende Sojaöl-Angebot für die Speisezubereitung ausgleichen müssen.
Ausgeschöpftes Ackerland in den USA plus steigende Preise erhöhen den Anreiz, Neuland in Brasilien zu erschließen. Je mehr Getreide in den Motor wandert, desto mehr Wald geht in Brasilien in Flammen auf. Je mehr Palmöl wiederum Sojaöl ersetzen muss, umso mehr Wald wird in Indonesien gerodet. Steigt der Ölpreis, klettert auch der Preis für Biodiesel, wächst die Nachfrage nach Palmöl, erhöht sich der Druck auf die Wälder in Südostasien.
Ein anderer wichtiger Zusammenhang: Neue Essgewohnheiten in Asien verlangen nach mehr Rindfleisch. Mehr Rinder, mehr Weiden, weniger Wald. Für ein Kilogramm Rindfleisch benötigt ein Viehzüchter rund 7 Kilogramm Futter. Sojaschrot ist ein beliebtes Tierfutter. Wird aus Soja mehr Biodiesel hergestellt, wird das Futter knapp, die Preise steigen. Auch für Fleisch. Was für Viehzüchter wiederum Anreiz ist, mehr Rinder zu halten. Und so weiter.
Das Prinzip ist immer das Gleiche: Biokraftstoffe verursachen Knappheit, eine hohe Nachfrage und hohe Preise. In dieser Logik ist es notwendig und lohnend, Wälder abzubrennen, |96| um neues Acker- und Weideland zu bewirtschaften. Der Klimawandel wird dadurch beschleunigt.
Biodiesel und Bioethanol verursachen sogar mehr Treibhausgase als herkömmliche Treibstoffe. Dies bestätigen zwei Studien der Princeton University und der amerikanischen
Umweltorganisation
Nature Conservancy, veröffentlicht im
Wissenschaftsmagazin Science . Das Problem ist der doppelte Schlag gegen das Klima. Erstens werden großflächig Naturwaldgebiete zu Ackerland umgewandelt, dabei werden enorme Mengen an Kohlendioxid freigesetzt. Zweitens geht mit den Wäldern ein gigantischer
Kohlendioxidspeicher unwiderruflich verloren. Die neu angelegten Felder und Plantagen absorbieren weit weniger Kohlendioxid. »Die Produktion fast aller Biokraftstoffe führt dazu, dass – direkt oder indirekt, gewollt oder ungewollt – Wälder verschwinden«, schreiben die Autoren.
Wälder müssten aber nicht abgefackelt werden, sagen manche Fachleute. Denn es gebe ein riesiges unausgeschöpftes Potenzial an brachliegendem Land. Auf der Erde werden nach Schätzungen der FAO rund 1,4 Milliarden Hektar Land bewirtschaftet. Forscher der Harvard University kommt zu dem Ergebnis, dass es in 95 Ländern mehr als 700 Millionen Hektar Land gebe mit ausreichend guter Bodenqualität, das dennoch nicht genutzt wird. In Indonesien sind es etwa 30 Millionen Hektar. Wenn es gelänge, auch nur einen geringen Teil dieser Brachen zu nutzen, könnte die Produktion von Biosprit erheblich ausgeweitet werden – ohne auf Kosten bereits bewirtschafteter Äcker und Wälder zu gehen.
Kritiker halten dem entgegen, dass sich die weltweite Anbaufläche nicht mehr erheblich ausdehnen lasse. Die Gesamtfläche ist seit 30 Jahren weitgehend konstant geblieben. Bodengewinne und
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