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Die Klimaprioritaeten

Titel: Die Klimaprioritaeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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Marktversagen, dass dieser Naturbereich bislang geplündert werden konnte«, empört sich Daan Dijk, Direktor für »Corporate Social Responsibility« bei Rabobank. Er gesteht jedoch, dass es für die Bank keine leichte Entscheidung war, in Waldprojekte einzusteigen, und die Präferenz immer noch Projekte mit erneuerbaren Energien sind. »Klimaschutzmarkt und Waldwirtschaft haben ein schwieriges Verhältnis.«
    Das liegt zunächst an den Berechnungsmethoden. Waldökosysteme sind sehr verschieden. Bäume können, je nach Alter, Wachstum, Art, Klima, Böden unterschiedlich viel Kohlendioxid speichern. Zwischen 200 und 1 000 Tonnen Kohlendioxid je Hektar. Im Durchschnitt braucht ein Baum 70 Jahre, um eine Tonne Kohlendioxid zu absorbieren. Kompliziert ist außerdem, aus vergangener Entwaldung Szenarien zukünftiger Entwaldung abzuleiten.
    Dann die Risiken. Wer garantiert, dass ein Wald, der Kohlendioxid speichern soll, auch stehen bleibt? Ein Baum ist schnell gefällt. Ein Feuer schnell entfacht. Und wer garantiert, dass die eine Waldfläche zwar geschützt, eine andere dafür jedoch woanders nicht trotzdem abgebrannt wird? Permanenz und die |85| Gefahr, dass das Problem nur verlagert wird – »Leakage«, wie es im Fachjargon heißt – sind die beiden großen Zankäpfel in der Debatte, ob und wie Wälder in den Emissionshandel einbezogen werden sollen.
    Permanent heißt dauerhaft, ein Umstand, den man sich auch für das Speichern von Kohlendioxid in Wäldern wünscht. Das Risiko, dass sie verschwinden, ist jedoch größer als bei Fabriken. Und wenn nicht sichergestellt werden kann, dass ein Waldgebiet zwar geschützt wird, doch die entschädigten Rinderfarmer einfach ein paar Kilometer weiterziehen und ein anderes Waldgebiet roden, machen Emissionsgutschriften keinen Sinn. Ähnlich verhält es sich in Europa, wenn strenge Emissionsstandards innerhalb der EU dazu führen, dass Unternehmen ihre Fabriken in Länder außerhalb der EU verlagern, Treibhausgase damit zwar in Mannheim vermieden, aber in Kiew wieder in die Atmosphäre geblasen werden. Das Problem lässt sich jedoch eindämmen, sagen Fachleute, denn diejenigen, die Bäume fällen, operieren in einem bestimmten Gebiet, lassen sich kontrollieren und sind nicht grenzenlos mobil. Sie in die Waldschutzvorhaben einzubeziehen, ist genau das Ziel des REDD-Mechanismus.
    Dennoch, diese Unsicherheiten sind ein wesentlicher Grund, warum viele Unternehmen sich scheuen,
Emissionsgutschriften
aus Waldprojekten zu kaufen oder in solche zu investieren. Ist der Baum verschwunden, ist auch der Umwelt- und Klimanutzen verloren. Wird der Baum woanders gerodet, verlieren Emissionsgutschriften auch ihren Wert.
    Doch wo ein Risiko, ist auch eine Versicherung. ForestRe. Phil Cottle, ein lakonischer Brite, versichert Risiken im Forstsektor. Er sitzt in einem kleinen, überhitzten Büro in London. Seit 15 Jahren ist er im Geschäft. Lange hat er
Landwirtschaftsbetriebe
versichert. Nun Wälder. Seine Kunden sind Waldbesitzer |86| , Plantagenbetreiber und Investmentfunds. Waldflächen, deren Landrechtsstatus unklar ist, versichert er nicht. Für den Job muss man eine Unmenge Daten sammeln. Wetter, Wind, Boden- und Geländestruktur, Schädlinge, Wasserläufe, Eigentümer, Nachbarn, Zugänge, Wege, Forstwesen, Forstgesetze. Das Hauptproblem: Die oft großen Waldgebiete überwachen. Daher seien Besitzer kleiner Wälder die besten Partner. Die
Überwachungstechnik
wird jedoch immer weiter verfeinert. Jeder kann heute seinen Wald auf Google Earth betrachten. »Bald ist die Kontrolle aus dem All so gut, dass ich einzelne Bäume gegen Diebstahl versichern kann.« Aber die besten Satelliten nützen nichts, sagt Cottle, wenn es keine Strafverfolgung und funktionierende Forstverwaltung gibt.
    Eine der schwierigsten Frage beim Waldschutz ist herauszufinden, wann sogenannte »tipping points« erreicht sind, also Grenzwerte überschritten werden, die die Funktionen des Waldes zerstören. Beispiel: Wie viele Bäume müssen auf einer Fläche verschwinden, um so viel Trockenheit zu erzeugen, dass Feuer leichter ausbrechen? Oder wie dicht müssen Baumkronen sein, um den Boden vor dem Austrocknen zu schützen?
    Die Risiken für tropische Wälder sind aus dargestellten Gründen ungleich höher als in Europa oder Nordamerika. Es sind aber genau diese Wälder, die vom Emissionshandel profitieren sollen. Nur zögerlich steigen Unternehmen daher in den Waldschutz ein. »Knackpunkt ist wirklich die

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