Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Klinge der Träume

Die Klinge der Träume

Titel: Die Klinge der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
Gegnerin sein. Egwene hoffte, dass den Schmerz zu umarmen so gut funktionierte, wie es die Weisen Frauen behauptet hatten. Sonst… Es war besser, über das »Sonst« nicht weiter nachzudenken.
    Eine dünne, grauhaarige Dienerin wies ihnen die Richtung zu dem Raum, den sie gerade vorbereitet hatte, und eilte los, nachdem sie vor den beiden Roten schnell einen Knicks gemacht hatte. Für Egwene hatte sie keinen Blick übrig. Was bedeutete ihr schon eine weitere Novizin? Egwene biss die Zähne zusammen. Sie würde dafür sorgen müssen, dass die Leute sie nicht bloß als eine weitere Novizin betrachteten.
    »Seht Euch ihr Gesicht an«, sagte Barasine. »Ich glaube, sie fängt endlich an zu begreifen.«
    »Ich bin, wer ich bin«, erwiderte Egwene ruhig. Barasine stieß sie auf die Stufen zu, die sich in der hohlen Säule einer Galerie befand und von dem abnehmenden Mond beleuchtet wurde. Ein Luftzug wehte, der einzige Laut. Alles erschien so friedlich. Unter keiner Tür drang Lichtschein durch. Die Novizinnen würden mittlerweile schlafen, ausgenommen jene, die späte Pflichten zu erledigen hatten. Für sie war es friedlich. Aber nicht für Egwene.
    Der winzige, fensterlose Raum hätte beinahe derselbe sein können, den sie bei ihrem ersten Aufenthalt in der Weißen Burg bewohnt hatte, mit seinem schmalen Bett an der Wand und dem kleinen Feuer, das in dem kleinen Ziegelkamin brannte. Die Lampe auf dem kleinen Tisch war entzündet, aber sie erhellte kaum mehr als die Tischplatte, und das Öl musste verdorben sein, denn es verbreitete einen schwachen, ranzigen Gestank. Ein Waschständer vervollständigte die Möblierung, abgesehen von dem dreibeinigen Hocker, auf dem sich Katerine augenblicklich niederließ und wie auf einem Thron die Röcke richtete. Barasine wurde klar, dass es für sie keinen Sitzplatz gab, also verschränkte sie die Arme unter der Brust und sah Egwene finster an.

Mit drei Frauen war es in dem Zimmer ziemlich eng, aber Egwene tat so, als würde es die anderen beiden nicht geben, als sie sich zum Schlafen bereitmachte und Umhang, Gürtel und Kleid an drei der Haken an einer der weißen Wände aufhängte. Sie bat nicht um Hilfe bei ihren Knöpfen. Als sie ihre ordentlich zusammengerollten Strümpfe auf den Schuhen ablegte, hatte es sich Barasine im Schneidersitz auf dem Boden bequem gemacht und sich in ein kleines Buch vertieft, das sie in ihrer Gürteltasche verstaut gehabt haben musste. Katerine ließ Egwene keinen Augenblick lang aus den Augen, als erwartete sie, dass sie einen Fluchtversuch zur Tür versuchen würde.
    Egwene kroch in ihrem Unterhemd unter die dünne Wolldecke, bettete den Kopf auf das kleine Kopfkissen - kein mit Gänsedaunen gefülltes Kissen, so viel stand fest! - und vollzog die Übungen, die sie einschlafen lassen würden, entspannte einen Teil ihres Körpers nach dem anderen. Sie hatte das schon so oft gemacht, dass es den Anschein hatte, sie würde einschlafen, kaum dass sie damit begonnen hatte…
    … und sie schwebte körperlos in einer Finsternis, die sich zwischen der wachenden Welt und Tel'aran'rhiod befand, der schmale Spalt zwischen dem Traum und der Realität, eine gewaltige Leere, gefüllt mit unzähligen funkelnden Lichtpunkten, die Träume sämtlicher Schläfer auf der Welt. Sie reichten so weit man sehen konnte an diesem Ort, wo es kein oben oder unten gab, schwebten um sie herum, verloschen, sobald ein Traum endete, flammten auf, sobald ein neuer begann. Sie konnte ein paar von ihnen auf Anhieb erkennen, dem Träumer einen Namen zuordnen, aber sie fand nicht denjenigen, den sie brauchte.
    Es war Siuan, mit der sie sprechen musste, Siuan, die vermutlich mittlerweile wusste, dass eine Katastrophe geschehen war, die vermutlich nicht schlafen konnte, bis die Erschöpfung ihren Tribut forderte. Sie richtete sich auf Warten ein. Hier gab es kein Zeitgefühl, das Warten würde sie nicht langweilen. Aber sie musste überlegen, was sie sagen wollte. So vieles hatte sich seit ihrem Aufwachen in der Kutsche verändert. Sie hatte so vieles erfahren. Seinerzeit war sie davon überzeugt gewesen, dass sie bald sterben würde, überzeugt, dass die Schwestern in der Burg wie eine Armee hinter Elaida standen. Jetzt…
    Elaida betrachtete sie als hilflose Gefangene. Dieses Gerede, sie wieder zur Novizin zu machen; selbst wenn Elaida wirklich daran glaubte, Egwene al'Vere tat es nicht. Sie betrachtete sich auch nicht als Gefangene. Sie trug die Schlacht in das Herz der Burg. Hätte

Weitere Kostenlose Bücher