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Die Klinge der Träume

Die Klinge der Träume

Titel: Die Klinge der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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sitzende Stiefel, die bis zu ihren Knien reichten, dann fing sie an, sich das dunkelblonde Haar mit einer mit einem Elfenbeinrücken versehenen Bürste zu kämmen, die ihrer Mutter gehört hatte. Ihr Bild in dem Spiegel war leicht verzerrt. Aus irgendeinem Grund störte sie das an diesem Morgen.
    Jemand räusperte sich am Zelteingang, und ein Mann mit einem murandianischen Akzent rief fröhlich: »Frühstück, Aes Sedai, wenn es Euch recht ist.« Sie senkte die Bürste und öffnete sich der Quelle.
    Sie hatte sich keine Leibdienerin besorgt, und manchmal hatte es den Anschein, als würde jede Mahlzeit von einem neuen Gesicht gebracht, aber sie erinnerte sich an den stämmigen Mann mit dem ergrauenden Haar und dem permanenten Lächeln, der nach ihrem Befehl mit einem von einem weißen Tuch bedeckten Tablett eintrat.
    »Stellt es bitte auf dem Tisch ab, Ehvin«, sagte sie, ließ Saidar los und wurde mit einem Lächeln belohnt, das noch breiter wurde, einer tiefen Verbeugung über dem Tablett und einer weiteren, bevor er ging. Zu viele Schwestern vergaßen die kleinen Höflichkeiten für jene, die unter ihnen standen. Kleine Höflichkeiten waren das Schmiermittel des Alltags.
    Sie warf dem Tablett einen wenig enthusiastischen Blick zu und bürstete weiter, ein Ritual zweimal am Tag, das sie immer beruhigend fand. Aber statt Trost in dem Gefühl der durch ihr Haar gleitenden Bürste zu finden, musste sie sich an diesem Morgen dazu zwingen, die vollen einhundert Striche zu machen, bevor sie die Bürste auf den Waschständer neben den dazugehörigen Kamm und den Handspiegel legte. Einst hätte sie den Hügeln Geduld beibringen können, aber das war ihr seit Salidar zusehends schwerer gefallen. Und seit Murandy war es so gut wie unmöglich. Also zwang sie sich dazu, so wie sie sich gezwungen hatte, gegen den ausdrücklichen Wunsch ihrer Mutter zur Weißen Burg zu gehen, sich gezwungen hatte, die Disziplin der Burg zusammen mit ihrer Ausbildung zu akzeptieren. Als Mädchen war sie eigensinnig gewesen, hatte immer höher hinausgewollt. Die Burg hatte sie gelehrt, dass man viel erreichen konnte, wenn man sich kontrollieren konnte. Sie war stolz auf diese Fähigkeit.
    Selbstbeherrschung oder nicht, sich an ihr Frühstück aus gedünsteten Pflaumen und Brot zu setzen erwies sich als genauso schwierig, wie ihr Ritual mit der Bürste zu vollenden. Die Pflaumen waren getrocknet und vielleicht zu alt gewesen, sie waren zu Mus zerkocht, und sie war sich sicher, ein paar der schwarzen Flecken übersehen zu haben, die das knusprige Brot zierten. Sie versuchte sich davon zu überzeugen, dass alles, was zwischen ihren Zähnen knackte, ein Gerstenkorn oder Roggenkorn war. Es war nicht das erste Mal, dass sie Brot mit Getreidekäfern aß, aber es war kaum etwas, das man genießen konnte. Auch der Tee hatte einen seltsamen Beigeschmack, als stünde er kurz vor dem Verderben.
    Als sie endlich das Leinentuch wieder über das geschnitzte Holztablett legte, hätte sie beinahe geseufzt. Wie lange noch, bevor es im Lager gar nichts Essbares mehr gab? Geschah das Gleiche in Tar Valon? Es musste so sein. Die Hand des Dunklen Königs berührte die Welt, ein Gedanke so düster wie ein steiniges Feld. Aber der Sieg würde kommen. Sie weigerte sich, jede andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Der junge alʹThor würde sich für vieles verantworten müssen, für sehr viel, und doch würde er es irgendwie schaffen. Er musste es schaffen! Irgendwie. Aber der Wiedergeborene Drache befand sich außerhalb ihres Einflussbereichs; sie konnte die Ereignisse nur aus der Ferne verfolgen. Es hatte ihr nie gefallen, am Rand zu sitzen und zuzusehen.
    Diese ganzen bitteren Gedanken waren sinnlos. Es war Zeit. Sie stand so schnell auf, dass ihr Stuhl nach hinten umkippte, aber sie ließ ihn auf dem mit Segeltuch bedeckten Boden liegen.
    Sie steckte den Kopf aus dem Eingang und fand Tervail auf einem Hocker auf dem Gehweg sitzen; sein dunkler Umhang war zurückgeworfen, er stützte sich auf das von der Scheide verhüllte Schwert, das er zwischen die Stiefel geklemmt hatte. Die Sonne stand am Horizont, zwei Drittel einer hellgoldenen Kugel, aber in der anderen Richtung ballten sich dunkle Wolken um den Drachenberg und kündigten in Kürze weiteren Schnee an. Oder vielleicht auch Regen. Nach der vergangenen Nacht fühlte sich die Sonne fast warm an. Mit etwas Glück würde sie bald drinnen gemütlich im Warmen sitzen.
    Tervail nahm ihre Anwesenheit mit einem kurzen

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