Die Klinge der Träume
vorgezogen. Winterfink konnte noch weiter, lange nachdem größere, angeblich kräftigere Pferde aufgaben. Sie schob einen Fuß in den Steigbügel, legte eine Hand an den Sattelknauf und eine an den Hinterzwiesel und verharrte.
»Zwei tote Schwestern, Ashmanaille, und beides Blaue. Findet Schwestern, die sie kannten, und bringt in Erfahrung, was sie sonst noch gemeinsam hatten. Um den Mörder zu finden, müsst ihr der Verbindung folgen.«
»Ich bezweifle sehr, dass sie zu den Ashaʹman führt, Beonin.«
»Wichtig ist, den Mörder zu finden«, erwiderte sie, zog sich auf den Sattel und wendete Winterfink, bevor die Frau weiterdebattieren konnte. Ein abruptes Ende und unhöflich, aber sie hatte keine Weisheiten mehr, die sie teilen konnte, und die Zeit schien ihr jetzt im Nacken zu sitzen. Die Sonne hatte sich vom Horizont gelöst und stieg in den Himmel. Nach so langer Zeit drängte es sie in der Tat.
Der Ritt zum Reisegelände, das für Abreisen benutzt wurde, war kurz, aber fast ein Dutzend Aes Sedai warteten in einer Schlange vor der hohen Wand aus Zeltplane; einige führten Pferde, andere trugen keinen Umhang, als würden sie erwarten, sich über kurz oder lang drinnen aufzuhalten, und eine oder zwei hatten aus irgendeinem Grund ihre Stolen angelegt. Etwa die Hälfte wurde von Behütern begleitet, von denen sich mehrere in ihre Farben verändernden Umhänge gehüllt hatten. Eines hatten die Schwestern jedoch alle gemeinsam: jede leuchtete mit dem Glanz der Macht. Tervail zeigte keine Überraschung über ihr Ziel, natürlich nicht, aber noch wichtiger war, dass der Behüterbund weiterhin Ausgeglichenheit beförderte. Er vertraute ihr.
Hinter der Plane zuckte ein silberner Blitz auf, und nachdem genug Zeit verstrichen war, um langsam bis dreißig zu zählen, traten zwei Grüne, die kein Tor allein erschaffen konnten, zusammen mit vier Behütern ein, die Pferde führten. Beim Reisen hatte sich bereits ein neuer Brauch etabliert: Privatsphäre. Solange man keinem gestattete, dabei zuzusehen, wie man ein Wegetor webte, kam der Versuch, das Reiseziel in Erfahrung zu bringen, der direkten Frage nach seinen persönlichen Angelegenheiten gleich. Beonin wartete geduldig auf Winterfink, Tervail überragte sie auf Hammer. Wenigstens respektierten die hier anwesenden Schwestern ihre hochgeschlagene Kapuze. Vielleicht hatten sie auch ihre eigenen Gründe, um zu schweigen. Was nun auch zutraf, sie musste mit keinem sprechen. In diesem Augenblick wäre das unmöglich gewesen.
Die Schlange vor ihr nahm schnell ab, und kurz darauf stiegen sie und Tervail an der Spitze einer viel kleineren Schlange ab, die nun nur aus drei Schwestern bestand. Er zog das schwere Segeltuch zur Seite, damit sie zuerst eintreten konnte. Aufgehängt an hohen Zeltstangen, umfassten die Wände einen Raum mit den Ausmaßen von etwa zwanzig mal zwanzig Schritten, der von gefrorenem Schneematsch bedeckt wurde, ein unebener Boden, der von sich überlappenden Hufabdrücken übersät und in der Mitte von einer rasiermesserdünnen Furche markiert wurde. Jeder benutzte die Mitte. Der Boden schimmerte etwas, möglicherweise der Beginn von neuem Tauwetter, das alles in Matsch verwandeln würde, der vielleicht wieder gefror. Hier kam der Frühling später als in Tarabon, aber er stand kurz bevor.
Sobald Tervail den Eingang schloss, umarmte sie Saida r und webte beinahe liebkosend den Geist. Dieses Gewebe faszinierte sie, die Wiederentdeckung einer Sache, die für alle Zeiten verloren geglaubt gewesen war, und sicherlich die größte Entdeckung Egwene alʹVeres. Jedes Mal, wenn Beonin es webte, erfüllte sie ein Staunen, das ihr als Novizin und sogar noch als Aufgenommene vertraut gewesen war, das sie aber seit dem Erringen der Stola nicht mehr verspürt hatte. Etwas Neues und Wunderbares. Der vertikale silbrige Strich erschien vor ihr, direkt auf der Linie im Boden, verwandelte sich plötzlich in einen Riss, der sich verbreiterte; das darin erscheinende Bild schien zu rotieren, bis sie einem rechteckigen, mehr als zwei mal zwei Schritte großen Loch in der Luft gegenüberstand, das Aussicht auf schneebedeckte Eichen mit dicken Ästen bot. Eine leichte Brise blies aus dem Wegetor und zupfte an ihrem Umhang. Sie war oft und gern in diesem Hain spazieren gegangen, oder hatte stundenlang auf einem der niedrigen Äste gesessen und gelesen, wenn auch nie im Schnee.
Tervail erkannte ihn nicht und eilte mit dem Schwert in der Hand durch. Er zog Hammer hinter sich
Weitere Kostenlose Bücher