Die Klinge des Löwen 02
der Schneesturm vorüber
war.
Anschließend
sattelten die beiden Männer eilig die Reittiere ab und warfen
ihnen jeweils eine der vorhandenen Decken zum Schutz gegen Schnee und
Kälte über. Danach befreiten sie auch die Saumrosse von
ihrem Gepäck, das sie unter einem Dickicht verstauten und mit
einer weiteren Decke vor dem heranziehenden Unwetter notdürftig
schützten. Die Rosse standen reglos mit dem Rücken gegen
den aufkommenden Wind und den in dicken Flocken herangetriebenen
Schnee und ließen die Köpfe hängen.
„ Sollen
wir sie anbinden?“ fragte Giselbert.
Dietrich
schüttelte den Kopf und zog sich den Mantel enger um die
Schultern. „Das ist nicht nötig. Bei diesem Schneetreiben
entfernen sie sich nicht!“
Im
Nu wuchs die weiße Masse dort, wo die Bäume weiter
auseinander standen, fast einen halben Fuß hoch.
„ Der
Schnee ist naß und schwer“, sagte Ida bedrückt, die
zusammen mit Bertha und dem Knaben unter dem behelfsmäßigen
Dach saß, unter dessen Schutz sich jetzt auch die beiden Männer
drängten. In trübsinnigem Schweigen starrten sie auf die
dicht fallenden Flockenschauer, die wie aus Kübeln von den im
Schneegestöber nicht mehr sichtbaren Wolken auf die Erde
geschüttet wurden.
„ Wir
können nur hoffen, daß das weiße Zeug bald wieder
taut“, sagte Dietrich und betrachtete mit gerunzelter Stirne
das Schneetreiben. „Es sieht mir allerdings nicht danach aus!"
Giselbert
nickte beipflichtend. „Ich glaube auch nicht, daß es vor
dem Abend aufhört zu schneien. Und ob wir dann aufbrechen
sollten...ich weiß nicht. Die Rosse können beim Abstieg
ausrutschen und sich womöglich die Knochen brechen.“
„ Das
dürfen wir nicht riskieren“, meinte Ida seufzend. "Aber
vielleicht klart es doch bald wieder auf?"
„ Auf
jeden Fall müssen wir vor Roland auf dem Winterberg sein“,
sagte Dietrich, während er nach wie vor mißmutig in den
furiosen Reigen der Schneeflocken starrte.
„ Ihr
meint, sonst verpassen wir ihn noch, nicht wahr?“ sagte Ida und
sah zu dem neben ihr stehenden Ritter auf.
„ Ja,
es wäre denkbar. Wir befinden uns hier immerhin ein schönes
Stück entfernt von unserer Marschroute, und ob der Hund des
Knappen ohne weiteres unsere unter tiefem Schnee begrabene Fährte
wittert, ist wohl auch fraglich. Sicher ist nur, daß Roland
weiß, wo der Winterberg liegt.“
Ida
seufzte. „Ach, Gott, ist diese Reise gespickt mit Hindernissen!
Nichts verläuft glatt.“
„ Na,
das würde ich nicht sagen“, widersprach Dietrich und
raffte sich zu einem ermunternden Lächeln auf. „Immerhin
sind wir bis jetzt unserem Ziel trotz aller Widerstände sehr
viel näher gekommen.“
„ Und
wir leben alle noch“, warf Giselbert in seiner unbeholfenen Art
ein.
„ Das
ist aber auch alles, was wir erreicht haben!“
Alle
starrten überrascht auf Bertha, die diese bissige Bemerkung von
sich gegeben hatte. Die Zofe bekam einen roten Kopf, als sie die
Blicke der anderen auf sich gerichtet fühlte.
„ Du
scheinst ja dein Leben nicht sehr hoch zu veranschlagen“, sagte
Ida mißbilligend, worauf die Zofe, den Knaben auf dem Schoß,
mit beleidigter Miene schweigend in das Schneetreiben hinausstarrte.
Ida warf Dietrich einen vielsagenden Blick zu und schüttelte den
Kopf.
„ Ich
weiß nicht, was du willst, Bertha“, versuchte Dietrich
mit einem Scherz die Stimmung aufzulockern. „Wir haben es hier
doch trocken und gemütlich und sind gut geschützt gegen den
Schneefall.“
„ Gemütlich
wie bei den Wölfen! Ein Platz vor einem wärmenden
Kaminfeuer wäre mir lieber“, gab die Zofe mürrisch
zurück.
In
Gräfin Ida wallte der Zorn auf. „Reiß dich doch
zusammen! Dein ewiges Gemecker ist ja nicht auszuhalten. Meinst du
vielleicht, uns bereitet es ein Vergnügen, bei diesem Wetter im
Wald zu hocken?“
Erschrocken
hielt sie sich die Hand vor den Mund. Wie konnte sie sich nur zu so
derben Worten hinreißen lassen! Was wohl Dietrich jetzt von ihr
denken mochte? Sie konnte ihre Neugier nicht zurückhalten und
warf ihm einen verstohlenen Blick zu. Aber der Ritter schien damit
beschäftigt, das durch die Schneelast sich an einer Stelle
senkende Zweigdach wieder zu richten. Giselbert half ihm dabei, indem
er einen armdicken Ast heranschaffte, den sie als Stütze
einzogen.
„ So
ist es gut“, meinte Dietrich, als sie fertig waren. „Darunter
sind wir einigermaßen geschützt.“
Er
ließ sich nicht anmerken, daß die Aussicht, in nächster
Nähe der Gräfin die Nacht
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