Die Klinge
musste nachdenken. In der Zwischenzeit öffnete Saafeld eine Schublade und nahm einen großen, mit Karton verstärkten Umschlag heraus. Paula streckte die Hand aus. »Darf ich mir die Fotos mal ansehen?«
Saafeld zögerte. »Sie sind ziemlich grausig.«
»Wenn ich in Ohnmacht falle, dürfen Sie mich auffangen.« Paula lächelte. »Aber ich glaube nicht, dass ich Ihnen diese Freude bereiten werde.«
Saafeld reichte ihr ein Paar Latexhandschuhe, damit sie auf den Fotos keine Fingerabdrücke hinterließ. Nachdem sie hineingeschlüpft war, zog sie vorsichtig die Farbbilder aus dem Umschlag und breitete sie auf dem Metalltisch aus. Newman trat näher heran und atmete tief durch.
Auf den Bildern war Holgates kopfloser Leichnam zu sehen, der noch immer mit einem verknitterten blauen Anzug bekleidet war und auf einem weißen Plastiktuch auf dem Seziertisch lag. Vermutlich hatte Saafeld diese Aufnahmen gemacht, um zu zeigen, in welchem Zustand man den Toten gefunden hatte.
Über dem Hemdkragen und dem Krawattenknoten ragte der Stumpf des Halses hervor. Die Wunde hatte überraschend glatte, mit bräunlichem Blut verkrustete Ränder. Der noch vorhandene Rest des Halses war recht lang, der Kopf musste also kurz unterhalb des Kinns abgetrennt worden sein.
Aufmerksam besah sich Paula die Bilder der Leiche, die Saafeld aus allen nur erdenklichen Winkeln fotografiert hatte. Dabei war ihr ziemlich seltsam zumute, obwohl sie Holgate nur flüchtig gekannt hatte. Damit die anderen ihre Reaktion nicht sehen konnten, beugte sie sich tief über die
Fotos. Mit einem Mal bemerkte sie, dass Buchanan neben ihr stand.
»Möchten Sie vielleicht ein Glas Wasser?«, fragte er leise.
Paula schüttelte stumm den Kopf und besah sich noch einmal das erste Foto, das sie aus dem Umschlag gezogen hatte. Darauf waren die meisten Details zu erkennen. Sie runzelte die Stirn und stand auf, ohne die Augen von dem Bild zu wenden.
»Und sind Sie schon zu irgendwelchen Schlüssen gekommen?«, fragte Tweed gerade Saafeld.
»Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich bei der Tatwaffe nicht um ein Messer gehandelt hat. Das hätte am Hals eine unregelmäßig ausgefranste Wunde hinterlassen - ganz abgesehen davon, dass es verdammt anstrengend ist, jemanden mit einem Messer zu enthaupten. Ich vermute, dass der Mörder eine Axt verwendet hat, eine Axt mit einer extrem scharfen Klinge. Der saubere Schnitt direkt unterhalb des Kinns lässt kaum einen anderen Schluss zu. Außerdem muss der Mörder sehr stark sein, da der Kopf vermutlich mit einem einzigen Schlag abgetrennt wurde. Ich hatte noch Gelegenheit, die Leiche umzudrehen, und habe dabei hinten im Hemdkragen geronnenes Blut gefunden. Daraus schließe ich, dass der Mörder sein Opfer erst mit dem Axtstiel bewusstlos geschlagen hat. Vermutlich ist er Rechtshänder, aber beweisen kann ich das nicht.«
»Professor«, wandte Paula sich an Saafeld. »Dürfte ich mir dieses Foto mal unter einer Lupe ansehen?«
Ohne Paula erst einmal nach dem Grund zu fragen, führte Saafeld sie umgehend zu einem anderen Tisch, an dem ein beweglicher Arm mit einem starken Vergrößerungsapparat befestigt war. Paula nahm auf dem Drehstuhl davor Platz, stellte ihn in der Höhe ein und blickte dann durch das Okular. Saafeld schob das Foto darunter.
»An dem Rädchen rechts können Sie die Vergrößerung einstellen«, sagte er. »Aber drehen Sie langsam, der Apparat reagiert sehr empfindlich.«
Saafeld ging sofort wieder zu den anderen zurück. Paula wusste seine Diskretion zu schätzen. Sie mochte es nicht, wenn ihr jemand über die Schulter sah. Der Apparat reagierte tatsächlich auf die kleinste Drehung. Paula musste ihre Latexhandschuhe ausziehen, um ihn richtig bedienen zu können.
Langsam drehte sie das Rad erst in die eine, dann in die andere Richtung, bis sie den abgeschnittenen Stumpf des Halses erschreckend deutlich und in allen Details sah. Nachdem sie ihn eine Weile betrachtet hatte, drehte sie sich auf ihrem Stuhl zu den anderen um.
»Professor Saafeld«, sagte sie. »Ich bin mir sicher, dass die Axt eine dreieckige Scharte in der Klinge hat. Aber das ist Ihnen bestimmt auch schon aufgefallen.«
»Nein, ist es nicht.«
Saafeld ging schnellen Schrittes zu ihr. Paula stand vorsichtig auf und achtete darauf, dass sich dabei das Rad an dem Vergrößerungsapparat nicht verstellte. Saafeld nahm Platz, setzte sich eine Brille mit Goldrand auf und blickte durch das Okular. Dann nahm er die Brille wieder ab, rieb sich
Weitere Kostenlose Bücher