Die Klingen der Rose: Ein unwiderstehlicher Schurke (German Edition)
seinen Kollegen bewusst. Wenn sie Seite an Seite kämpften, achteten sie aufeinander und schützten sich gegenseitig vor Verletzungen und Tod. Wenn es dennoch dazu kam, nahmen sie es jedoch in Kauf.
Aber London war keine Klinge, auch wenn sie sich bereitwillig der Gefahr stellte und notfalls auch Schläge einstecken konnte. Herrgott, allein heute hatte sie das mehr als bewiesen. Aber Bennett fehlte ein Panzer, der ihn schützte, wenn sie litt. Ihr Mut zermürbte ihn.
»Ich wünschte, du müsstest das nicht tun«, sagte er leise.
Voller Überzeugung blickte sie ihn aus ihren dunklen Augen an. »Das wünschte ich auch. Aber ich mache es. Je eher, desto besser.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn flüchtig. »Es wird schnell gehen. Ich werde es kaum merken.«
Wieder ertrug er nur schwer ihren Impuls, ihn zu trösten. Bevor er etwas sagen konnte, glitt sie aus seinen Armen und an die Reling, wo sie ihren Ärmel hochrollte.
»Wie ich sehe, hast du dich schon vorbereitet«, sagte Athene, als sie mit dem Messer von unten zurückkehrte. Die Klinge absorbierte das Licht mehr, als dass sie es reflektierte. Um den Griff rankten sich silberne Zweige. Am liebsten hätte Bennett der Hexe das Messer aus der Hand geschlagen, damit es im Meer versank, doch er beherrschte sich.
Athene hielt London den Griff des Messers hin. »Das Symbol sieht so aus.« Sie zeichnete die Umrisse eines fliegenden Vogels auf ihren eigenen Unterarm. »Es steht für die Freiheit und muss so tief eingeritzt werden, dass es blutet.«
»Ich verstehe.« London nahm das Messer entgegen. Ihre Hand um den Griff wirkte zart und schmal. Sie holte tief Luft und hielt ihren entblößten Arm über das Meer. Selbst im hellen Sonnenschein war ihr Gesicht blass – aber entschlossen.
Bennett fragte sich, ob er die Augen schließen sollte. Auf Einsätzen hatte er schon vielen Operationen beigewohnt und sogar schon selbst an sich und anderen mit chirurgischem Werkzeug hantiert. Der Anblick von Blut war ihm nicht unbedingt angenehm, aber er störte ihn auch nicht. Blut gehörte zu seinem Leben und zur Welt der Klingen. Wenn er allerdings sah, wie London blutete, wollte er Wälder ausreißen und auf Berge einschlagen.
Er ließ die Augen offen. Doch er ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass sie sich praktisch in Stein verwandelten und mehr schmerzten als bei seiner Klettertour an der Felswand. Aber er spürte es nicht. Er spürte nur Londons Schmerz, als sie noch einmal tief Luft holte, die schwarze Klinge auf ihren Unterarm setzte und dann den Druck verstärkte und hineinschnitt. Strich für Strich erschien blutrot das Symbol auf ihrer Haut.
Nicht ein einziges Mal zitterte das Messer. Sie machte keine Pause und zischte nur einmal kaum hörbar, als Blut von ihrem Arm herabfloss. Das Blut lief über ihre Haut und tropfte ins Meer.
»Das muss doch reichen«, knurrte Bennett der Hexe zu.
Athene hob etwas von dem verschütteten Sand vom Deck auf und warf ihn in die Luft. Sie beobachtete, welche Gestalt der Wind den Körnern verlieh. »Es hat funktioniert. Der Zauber ist gebrochen.«
Kaum hatte Athene die Worte ausgesprochen, hob Bennett London auf seine Arme und trug sie unter Deck. Er blieb nicht stehen. Im Vorbeigehen schnappte er sich im Aufbau eine Rolle Verbandsmull.
»Ich ruiniere dein Hemd«, sagte London mit Blick auf die leuchtend roten Flecken auf seiner Kleidung.
»Egal.« Er trat mit dem Fuß die Tür zu seiner Kabine auf und bettete sie in die Koje. Sofort nahm er ein Stück Mull und drückte es auf ihre Wunde. Er wagte nicht zu sprechen. Während er ihren Arm in seiner Hand hielt und mit dem Mull versuchte, die Blutung zu stoppen, spürte er ihre Zartheit und zugleich ihre Kraft. Zufrieden, dass die Blutung nachließ, nahm er einen frischen Streifen Mull und wickelte ihn so vorsichtig um die Wunde, als verbinde er den Flügel eines Vogels.
»Was ist mit deinen Händen passiert?«, fragte London.
Er blickte nach unten und bemerkte, dass seine Fingernägel rote Abdrücke in seinen Handflächen hinterlassen hatten. »Das Ganze hat mir nicht gefallen.«
Sie lächelte schwach. »Mir auch nicht. Aber jetzt ist es vorbei.« Ihr Lächeln erstarb und wich einem Ausdruck ruhiger Entschlossenheit. »Die Verbindung ist gekappt.«
* * *
Bennett hob ihr Kinn an. Seine Augen glänzten wie Edelsteine. Während er sie betrachtete und ihr Gesicht mit seinen Blicken streichelte, verwandelten sie sich von Aquamarin in dunklen Saphir. Seine
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