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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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zweifellos erleichtert, daß die Qual vorüber war. Spurgeon hatte die Arme des weißen Jungen von hinten gepackt. »Ist das dein Wagen?« fragte er.
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Seiner«, sagte er und deutete mit dem Kopf auf seinen Gegner. Jetzt bemerkte Spurgeon, daß Adam die Arme des farbigen Jungen festhielt, während Meyersons große blasse Hände in wolliges schwarzes Haar – wie das von Dorothy – verkrampft, den Kopf des Jungen nach hinten zwangen.
    »Das ist unnötig«, sagte er scharf. Der weiße Junge wimmerte.
    Als er einen Blick hinunterwarf, sah er, wie seine eigenen, ihm vertrauten schwarzen Finger sich in sommersprossiges Fleisch gruben. Verblüfft öffnete er sie, und der Junge entfernte sich wie ein befreites Tier, steif vor gespielter Gleichgültigkeit.
    Trotzig ließ der schwarze Junge seinen Vergaser aufheulen, als sie zum Krankenwagen zurückgingen.
    Spurgeon befiel das gleiche Gefühl, das der alte Mann, der auf der Holzbank geweint hatte, gehabt haben mußte.
    »Wir haben Partei ergriffen«, sagte er zu Adam.
    »Was meinst du damit?«
    »Ich konnte nicht schnell genug hinspringen, um mit dem kleinen weißen Gangster abzurechnen, und ihr beiden tapferen Weißen habt das farbige Kind grob behandelt.«
    »Sei kein paranoides Arschloch«, fuhr ihn Adam an.
    Auf dem Heimweg zum Krankenhaus stöhnte der Verwundete gelegentlich; die übrigen Insassen des Wagens schwiegen.
     
    In der Unfallstation ließen sich drei Polizisten verarzten, die von Steinen getroffen worden waren, aber sonst merkte man noch immer nichts von den vorausgesagten Krawallen. Sie mußten noch einmal nach Roxbury zurückfahren, um einen Zimmermann abzuholen, der sich die Hand an der Elektrosäge aufgeschnitten hatte, als er Bretter zum Vernageln von Ladenfestern zurechtschnitt. Dann wurden sie nach einem Mann ausgeschickt, der einen Herzanfall vor der North Station erlitten hatte. Um neun Uhr zwanzig fuhren sie wieder aus, um jemanden zu holen, der sich angeblich beim Sturz von einer Leiter den Rücken verletzt hatte, als er die Decke seiner Wohnung malte.
    Der nächste Ruf kam von einer Wohnhausanlage im South End. Neben dem großen plätschernden Teich wartete ein Junge in einer schmutzigen weißen Nehrujacke auf sie, ungefähr so alt wie die beiden Straßenkämpfer, aber sehr mager.
    »Hier geradeaus, meine Herren«, sagte er und ging in die Dunkelheit hinein. »Ich bringe Sie zu ihm hinauf. Sieht wirklich schwer verletzt aus.«
    »Sollen wir die Tragbahre mitnehmen?« fragte Spurgeon.
    »He«, rief Adam dem Jungen zu, »welcher Stock?«
    »Vierter.«
    »Ist ein Lift vorhanden?«
    »Kaputt.«
    »Zum Teufel«, sagte Meyerson.
    »Bleiben Sie hier«, sagte Silverstone und griff nach seiner Arzttasche. »Es ist zu hoch, um die Bahre hinaufzuschleppen, wenn wir sie nicht brauchen sollten. Dr. Robinson und ich sehen ihn uns an. Wenn wir die Bahre brauchen, wird einer von uns herunterkommen und Ihnen tragen helfen.«
    Die Wohnanlage bestand aus einer Reihe kastenförmiger Betonbauten. Das Haus 11 stand neben einem Teich und war noch nicht alt, aber schon ein Elendsquartier. Anatomisch unwahrscheinliche Bleistiftzeichnungen bedeckten die Wände des Vorhauses, waren jedoch auf höheren Treppenabsätzen nicht zu sehen, weil dort gähnende Finsternis herrschte, da die Glühbirnen gestohlen oder zerbrochen waren. Im zweiten Stock stank die Dunkelheit nach altem Müll und Schlimmerem.
    Spurgeon hörte, wie Adam den Atem anhielt.
    »Welche Wohnung?« fragte er.
    »Folgen Sie mir nur.«
    Oben spielte jemand eine wüste Sache von Little Richard, es dröhnte wie das Gestampfe wilder Pferde, die in rasender Flucht dahinjagten. Je höher sie kamen, umso lauter wurde es. Im vierten Stock ging der Junge über einen Gang auf eine Tür zu, hinter der die Musik lärmte. Wohnung D. Er hämmerte an die Tür, und drinnen nahm jemand die Nadel von der Platte.
    »Aufmachen. Ich bin’s.«
    »Hast sie mit?«
    »Ja. Zwei Doktoren.«
    Die Tür öffnete sich, der Junge in der Nehrujacke ging hinein und Adam hinter ihm. Als Spurgeon folgte, kam Adams Warnung.
    »Lauf, Spur! Hol –«
    Aber er war schon drinnen, und die Tür wurde hinter ihm zugeschlagen. Eine einzige Lampe brannte. In ihrem Lichttümpel sah er vier Männer; nein, fünf, zählte er, als noch einer aus der Dunkelheit in den Lichtkegel trat, drei Weiße und zwei Farbige, den Jungen nicht mitgezählt. Er erkannte nur einen von ihnen, einen mageren braunen Mann mit Zuluhaaren und einem

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