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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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dem Gefühl auf, daß er etwas vergessen habe.
    Der Aufruhr.
    Aber der Rundfunk unterrichtete ihn, daß es keinen gegeben hatte. Ein paar in Brand gesteckte Läden, geringfügige Plünderungen. Jimmy Brown war in der Stadt, und der Bürgermeister hatte ihn gebeten, eine Rede zu halten, die das Fernsehen aus dem Boston Garden übertrug. Die Leute, die sonst Brände gelegt hätten, blieben daheim und sahen sich Jimmy im Fernsehen an. Die anderen hielten bereits Versammlungen ab und bemühten sich, die Stimmung abzukühlen.
    Er blieb fast eine Stunde unter der Dusche und trocknete eben die Haut zwischen den blauen Flecken ab, als das Telephon in der Halle läutete.
    Die Polizei hatte Meyerson geholt. Er konnte gegen zweihundert Dollar freigehen. Er brauchte zwanzig Dollar, die zehn Prozent für den Kautionsbürgen.
    »Ich komme hinüber«, sagte Spurgeon.
    In der Polizeidirektion in der Berkeley Street bezahlte er das Geld und erhielt eine Quittung.
    »Sie sehen müde aus«, sagte er, als Maish herauskam.
    »Miese Matratze.«
    Im Morgen lag die erste Andeutung von Frühlingswärme, und die Luft war zitronengelb vor Sonnenlicht, aber sie gingen in unbehaglichem Schweigen dahin, bis sie den Park Square überquerten.
    »Danke, daß Sie die Polizei gerufen haben«, sagte Spurgeon.
    Meyerson zuckte die Achseln. »Ich habe es nicht für euch getan. Wenn sie euch umgebracht hätten, wäre ich ein Helfershelfer gewesen.«
    Daran hatte Spurgeon noch gar nicht gedacht.
    »Sie bekommen Ihre zwanzig Dollar zurück«, sagte Maish.
    »Eilt nicht.«
    »Ich habe Geld in meinem Zimmer versteckt, mein Spielgeld. Sie haben gestern abend schon auf mich gewartet, als ich es holen ging. Ich schicke Ihnen die zwanzig per Post.«
    »Sie werden die Kaution fahren lassen, nicht wahr?« sagte Spurgeon.
    »Ich habe noch was auf dem Konto. Diesmal würde es eine unbedingte Gefängnisstrafe bedeuten.«
    Spurgeon nickte. »Ein Philosoph!« sagte er traurig. Meyerson sah ihn an. »Ich bin ein Vagabund. Ich hab’s Ihnen ja gesagt, und wenn Sie ein echter Nigger wären, würden Sie so etwas nicht sagen.«
    Sie waren die Boylston Street in Richtung Tremont gegangen. Als sie jetzt stehenblieben und einander anstarrten, kam ein bärtiger, bloßfüßiger Prophet vom Common herüber auf sie zu und verkündete, daß er, falls sie ihm nicht einen Dollar gäben, nichts zum Frühstück haben würde.
    »Dann verhungere eben, Schmock«, sagte Meyerson, und der Junge wanderte, ohne beleidigt zu sein, davon.
    »Sie wissen nicht, was das heißt, etwas so sehr haben zu wollen, daß Sie alles täten, um es zu bekommen«, sagte Maish. »Sie sind ein weißer Schwarzer, das ist’s, warum Sie die Nigger nicht verstehen. Deshalb sind Sie genauso schlimm wie wir übrigen Weißen, die es einen Dreck schert, wie es anderen geht, weil wir nur an uns selber denken. Oder vielleicht sind Sie noch schlimmer.« Er drehte sich um und ging auf die Haltstelle der Untergrundbahn zu.
    Nein, bin ich nicht, versicherte sich Spurgeon. Und auch sonst keiner.
    »Sie sind nicht alle wie du, Meyerson!« schrie er. »Nein, nein, nein!« Aber Maish war bereits die Treppe hinunter verschwunden.
    Eine alte Dame mit blaugrauem Haar warf ihm einen angelsächsischen Blick zu wie einen Stein. »Hippies«, sagte sie kopfschüttelnd.
     
    Wider Willen zog es ihn zum Getto.
    Der Wind blies von Süden, und noch bevor er über die Grenze gefahren war, füllte sich der VW mit einem schwachen, bitteren Brandgeruch. Nicht alle waren daheimgeblieben, um Jimmy Brown zu sehen.
    Er fuhr sehr langsam.
    Die Bretter über den Auslagen sahen bei Tageslicht kläglich unwirksam aus. Einige waren abgerissen worden. An einem Schnapsladen war das metallene Schutzgitter aus den Angeln gerissen. Die Scheibe war zerbrochen, und er konnte im Inneren flüchtig nackte Gestelle und Trümmer auf dem Fußboden sehen. Die Aufschrift auf der Eingangstür – »Seelenbruder« – war durchgestrichen und durch eine andere ersetzt worden: »Verdammter Lügner«.
    Die erste Brandstätte lag nicht weit vom Ace High, ein Miethaus. Der Brand war zweifellos von jemandem gelegt worden, der genug von Ratten und Küchenschaben gehabt hatte.
    Der zweite Brand, auf den er stieß, lag eine halbe Meile weiter und war kein Brand mehr. Ein halbes Dutzend Feuerwehrleute ließen zwei Schläuche über den Schauplatz einer verlorenen Schlacht spielen. Nichts war übriggeblieben als ein geschwärztes Ziegelfundament und ein paar verkohlte Balken.
    Er

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