Die Knickerbocker Bande 17 - Die Rache der roten Mumie
um zu sehen, wer sich angeschlichen hatte.
Wenn die Kobra kommt
Lieselotte wand sich wie eine Schlange hin und her und versuchte sich loszureißen. Eine tiefe, bellende Stimme ließ einen Wortregen auf sie niederprasseln, von dem sie keine Silbe verstand. Am Klang der Sprache erkannte sie nur, daß es sich um Arabisch handeln mußte. Der Angreifer preßte seine Finger wie Stahlzangen auf ihre Schlüsselbeine, und Lieselotte schrie vor Schmerz auf. Da sie keinen anderen Ausweg mehr wußte, sprang sie mit beiden Beinen gleichzeitig vom Boden weg und trat wie ein ausschlagender Esel nach hinten. Volltreffer! Sie hatte an diesem Tag grobe Lederschuhe mit harten Absätzen an und traf damit den Mann auf den Schienbeinen. Er schrie auf und lockerte seinen Griff. Lilo nutzte die Gelegenheit, riß sich los und wirbelte herum.
Hinter ihr stand ein junger, sehr dunkelhäutiger Araber in Jeans und weißem Hemd. Er schien nun zu schimpfen und zu fluchen und drohte dem Mädchen mit der erhobenen Faust. „Lassen Sie mich in Ruhe! Wer sind Sie überhaupt!“ fuhr ihn Lieselotte an. Mit dieser Frage wollte sie Zeit gewinnen. Sie mußte nämlich unbedingt an diesem Mann vorbei und zurück ins Lager. Doch er stand ihr genau im Weg. Was sollte sie also tun?
„Du sprichst Deutsch?“ fragte der Mann erstaunt in ihrer Sprache. Lilo blickte den Burschen vor Überraschung wie eine Fata Morgana an. „Oh nein!“ Er schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn und pfiff durch die Zähne. „Bist du am Ende eines der Kinder, die zu Frau Klingmeier auf Besuch gekommen sind?“ Das Superhirn der Knickerbocker-Bande nickte. Der Mann ging auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen. Lieselotte traute dem Frieden aber nicht und wich zurück. „Entschuldige, ich habe mich wie ein Vollidiot benommen. Aber als ich dich in Richtung Wüste gehen sah, kam mir plötzlich der Verdacht, daß du den Schmuck gestohlen haben könntest. Deshalb habe ich dich gepackt. Tut mir wirklich leid! Mein Name ist Hamed.“ Der junge Mann hatte ein freundliches, sehr fein geformtes Gesicht. Lilo erinnerte es an einen Wüstenprinz, doch dieser Gedanke kam ihr zu kitschig vor. Zögernd reichte sie Hamed die Hand. „Ich heiße Lieselotte Schroll!“ stellte sie sich vor. Hamed verneigte sich tief und witzelte: „Ich hoffe, du nimmst meine Entschuldigung an.“ Lilo nickte gnädig. „Was... was tust du hier bei den Wissenschaftlern?“ erkundigte sie sich.
„Ich bin selbst Archäologe, besser gesagt, Ägyptologe. Studiert habe ich in Wien. Daher meine Deutschkenntnisse. Ich arbeite für das Ägyptische Museum, und mein Spezialgebiet ist Schmuck.“
Lieselotte ließ den Mann keine Sekunde aus den Augen. Hamed war freundlich, doch zugleich unnahbar. Er sprach ein wenig leiernd und hochnäsig, versuchte aber fröhlich zu erscheinen. Über der rechten Hand trug er einen schwarzen Lederhandschuh. Warum, das wollte Lilo möglichst schnell herausfinden. „Was hast du vorhin mit dem gestohlenen Schmuck gemeint?“ erkundigte sie sich.
Hamed machte sich auf den Rückweg zu den Zelten, und Lilo marschierte mit kleinem Abstand neben ihm. „Wir haben in der Grabkammer, die wir gerade untersuchen, gestern große Mengen Schmuck entdeckt. Es ist die letzte Ruhestätte einer ägyptischen Königin, der Halsbänder und Armbänder aus Gold und Perlen mitgegeben wurden. Private Sammler bieten für Schmuck dieser Art hohe Preise.“
Lieselotte kämpfte mit sich. Sollte sie etwas von Axels Beobachtungen in der vergangenen Nacht berichten? Sie beschloß, es für sich zu behalten.
„Die ägyptischen Helfer werden von den Wissenschaftlern nach der Öffnung einer Grabkammer nie hineingelassen. Doch einer der Männer war neugierig und hat seinen Kopf hineingesteckt. Er will ein blondes Mädchen mit Zöpfen beobachtet haben, das sich an den Schmuckstücken zu schaffen gemacht hat. Es war allein in der Grabkammer, während wir eine kleine Pause eingelegt und Nachmittagstee getrunken haben.“
Lieselotte blieb mit einem Ruck stehen. „Wann war das genau?“ wollte sie wissen. „Ich meine, die Uhrzeit?“ Hamed überlegte kurz und antwortete: „Fünf, es war nach fünf Uhr!“
In Lilos Kopf wirbelten die Gedanken. Eigentlich sollte die Knickerbocker-Bande bereits um drei Uhr ankommen. Dann hätte sie – Lieselotte – tatsächlich um fünf Uhr in der Grabkammer sein können. Es hatte sich jemand als Lilo verkleidet, um einen möglichen Verdacht auf sie zu lenken. Aber
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