Die Knickerbocker Bande 24 - Der weisse Gorilla
jemand die Fäden durchgeschnitten hatte, stolperten und taumelten sie durch den düsteren Raum. Axel entdeckte einen Schlüsselbund auf dem Boden unter dem Foltertisch, auf dem Senor Sebastian lag. An ihm befand sich auch der Schlüssel, mit dem die Hand- und Fußeisen gelöst werden konnten.
Wie eine aufgezogene Puppe packten die vier Freunde den bewußtlosen Mann. Die Mädchen hielten die Beine, die Jungen die Arme. So zerrten sie ihn aus der Folterkammer. Senora Isabella erhob sich mühsam und folgte ihnen.
Die Bande mußte sich sehr anstrengen, um den Schloßbesitzer über die enge Treppe nach oben zu schaffen. „In die Bibliothek“, brummte seine Frau und deutete nach oben. Keuchend und stöhnend zogen sie den Senor über die Stufen, durch den Gang, in
dem der Spuk begonnen hatte, bis zu einer hohen, zweiflügeligen Tür. Senora Isabella öffnete den Freunden und knipste das Licht in dem Raum an, der dahinter lag.
Es handelte sich fast um einen kleinen Saal, der viel höher war als die anderen Zimmer. Er schien über zwei Stockwerke zu gehen. An der linken und der rechten Wand des Zimmers befanden sich Bücherregale, die vom Fußboden bis zur Decke reichten. In den Regalen reihte sich ein Buch an das andere. Auf den ersten Blick war kein einziger freier Platz zu erkennen.
Zwischen den Regalen lud ein dick gepolstertes Sofa zum Hinsetzen und Schmökern ein. Auf dieses Sofa legten die Knickerbocker den Mann. Erschöpft ließen sie sich auf den Boden sinken. Die Senora kniete sich neben ihren Gemahl, strich mit der Hand über seine kalten, eingefallenen Wangen und redete leise auf ihn ein.
„Das kann doch alles nur ein Alptraum gewesen sein!“ sagte Lieselotte. „Wie ist so etwas möglich? Wer hat Senor Sebastian in diese grauenhafte Folterkammer gebracht? Wie ist Senora Isabella dort hingekommen?“
Die schlanke, stattliche Frau richtete sich auf und blickte die Kinder lange an. Dominik war an der Senora besonders ihre Haltung aufgefallen. Sie stand immer kerzengerade, als ob sie einen Besen verschluckt hätte. Ihr hellblondes Haar fiel nur in der Nacht offen auf ihre Schultern. Bei Tag hatte sie es hochgesteckt.
„Ich habe keine Erklärung für die Vorkommnisse“, begann die Schloßbesitzerin. „Ich erinnere mich nur daran, in meinem Bett eingeschlafen zu sein. Als ich erwachte, spürte ich die spitzen Dornen rund um mich. Es dauerte eine kurze Weile, bis ich erkannte, wo ich mich befand. Ihr könnt euch meinen Schock vorstellen, als ich bemerkte, daß die Eiserne Jungfrau geschlossen war. Ich konnte nicht aus dem Folterinstrument entkommen. Meine Beine waren bereits eingeschlafen. Mein Rücken und meine Arme verkrampften sich. Anlehnen war undenkbar. Ich hätte mich schwer verletzt dabei. Aber dann habe ich eure Rufe gehört und geantwortet. Wieso seid ihr wach? Es muß tief in der Nacht sein!“
Dominik warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Es ist drei Uhr in der Früh!“ antwortete er. Senora Isabella schien die Knickerbocker mit ihren Augen zu durchbohren. „Was habt ihr um diese Zeit auf dem Gang zu suchen?“ fragte sie, und ihre Stimme klang nach einem Verhör. „Wolltet ihr vielleicht Gespenster spielen und uns verulken? Dies ist kein Internat. Für Scherze dieser Art ist kein Platz!“
„Nein, nein, wieso unterstellen Sie uns so etwas?“ protestierte das Superhirn. Allerdings beschloß Lieselotte, nicht die Wahrheit zu sagen. Die Junior-Detektive hatten Senor Sebastian versprochen, niemandem - auch nicht seiner eigenen Frau - von seinen Ängsten und Erlebnissen zu erzählen. Aus diesem Grund erwiderte das Superhirn: „Wir sind von einem Geräusch geweckt worden. Auf dem Gang hat es gekracht, und etwas Schweres ist zu Boden gefallen. Deshalb haben wir aus unseren Zimmern geschaut und...“, das Mädchen schluckte, „eine Leiche gesehen. Wir haben Ihren Mann angerufen, und er ist auch sofort gekommen. Er hat uns gerufen, ist aber plötzlich verstummt und verschwunden gewesen.“ Dominik schilderte, wie der geheimnisvolle Wanderer über ihren Köpfen auf und ab marschiert ist und das Telefon zu läuten begonnen hatte, obwohl nicht aufgelegt war.
„Die Leiche war verschwunden, Ihr Mann aber auch!“ schloß Lilo den Bericht. „Wie ist er in die Folterkammer hinunter gekommen?“
„Bitte geht, bevor es zu spät ist!“ sagte Senora Isabella zu den Knickerbocker-Freunden. „Ich war immer dagegen, daß ihr zu uns kommt. Die Zeit ist ungünstig. Sebastian geht es nicht gut. Er
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