Die Knickerbocker Bande 41 - Die Hand aus der Tiefe
allerdings nicht im Kampf, sondern im Schlaf - und das wahrscheinlich deshalb, weil er zu viele Fliegenpilze gegessen hatte.“
Poppi horchte auf. „Fliegenpilze? Wer ißt denn so etwas? Sicher wußten auch die Wikinger, daß Fliegenpilze giftig sind!“
Jörgen nickte. „Stimmt, aber die Wikinger haben vor Kämpfen gerne an Fliegenpilzen geknabbert. Das machte sie besonders mutig. Der Anführer - nennen wir ihn Eric - hatte sich dabei vergiftet und war gestorben.
Das prächtige Totenschiff wurde von vier kleineren Booten begleitet. Sie hatten keine Drachenköpfe und wurden auch nicht gerudert, sondern vom Wind angetrieben.
Rot-weiß gestreifte Segel mit Zeichnungen von grimmigen Dämonen blähten sich an den Masten. In jedem Boot saßen an die zwanzig bewaffnete Krieger. Kein Wort kam über ihre Lippen.
Kaum hatten sie die Bucht erreicht, wurden die Segel eingeholt und die Ruder im Rumpf des Bootes abgelegt.
Nun beginnt auf jedem Boot ein Wikinger auf einem hohlen Baumstamm zu trommeln. Es dröhnt bedrohlich durch die Bucht. Der Wirbel hallt von den Felsen wider und steigert sich zu einem Orkan.
Die Besatzung schlägt nun im Takt mit den Waffen gegen die Schilder und stimmt einen tiefen klagenden Gesang an.
Acht Männer heben die Bahre mit ihrem verstorbenen Anführer hoch und strecken sie zum Himmel. Dort beginnen Wolken zu wallen. Es sind dunkle Gewitterwolken, die sich zu furchterregenden Türmen aufschichten.
Blitze zucken, Donner grollen, und bald prasselt der Regen in dicken, schweren Tropfen auf die Erde nieder.
Ein Sturm zieht auf. Die Wellen werden immer höher aufgepeitscht. Das große Drachenschiff wird nur leicht, die kleineren Boote aber bereits heftig hin- und hergeschaukelt.
Doch statt sich an Land zu retten, schlagen die Wikinger Löcher in die Bordwände.
Wasser dringt in den Kielraum, steigt schnell hoch, und die Boote beginnen zu sinken.
Es wird jedoch weiter getrommelt, mit den Schwertern geschlagen und gesungen. Die Männer haben Mühe, das Gleichgewicht zu halten, aber scheinen nicht mehr bei Sinnen zu sein. Sie haben sich durch rhythmischen Gesang in einen rauschähnlichen Zustand versetzt. Sie nehmen die Welt rund um sich nicht mehr wahr und sind bereit, zu ihren Göttern zurückzukehren.
Ein besonders heller Blitz zerreißt den schwarzen Himmel. Ihm folgt ein Donnerschlag, der die Felsen an der Küste erbeben läßt.
Steine stürzen ins Meer, fallen auf die Boote und versenken sie endgültig in der See. Innerhalb weniger Minuten verschlingt das Meer die fünf Schiffe, die Krieger und ihren verstorbenen Anführer. An Bord befinden sich außerdem Dutzende Ledersäcke und Truhen mit Goldschmuck, Goldklumpen und Goldmünzen.
Keiner der Wikinger schreit, keiner kämpft um sein Leben. Erhobenen Hauptes begleiten sie den Herrscher auf seinem letzten Weg.
Am nächsten Morgen hat sich das Unwetter verzogen, und nichts erinnert an das schaurige Begräbnis, das in der vergangenen Nacht stattgefunden hat.
Am Meeresgrund legt sich eine Decke aus Algen schützend über die Schiffe, die Schätze und die Toten. Die Algen schließen sie in einen luftundurchlässigen Sarg ein, in dem sie erhalten bleiben werden - fast tausend Jahre lang.“
Jörgen legte eine Pause ein und rührte Kakaopulver in die kochende Milch. Er goß das dampfende Getränk in Becher und stellte diese auf den Tisch.
„Hat sich das tatsächlich so zugetragen?“ wollte Dominik wissen.
Jörgen nickte nachdenklich.
Doch seine Geschichte war noch nicht zu Ende: „Fast tausend Jahre später stießen Forscher auf den Wikingerfriedhof am Meeresgrund. Die Schiffe waren fast unbeschädigt. Die Leichen waren mumifiziert und von der seltsamen Alge ausgetrocknet worden. Die Krieger trugen noch ihre Helme, ja sogar ihre Hemden und Lederbrustpanzer.
Es war einer der größten Funde in der Geschichte der Archäologie. Die Altertumsforscher konnten die fünf Schiffe bergen. Das Holz wurde entsprechend behandelt, die Boote im Museum ausgestellt.
Die toten Wikinger hat man ihrer Habseligkeiten beraubt. Die Helme landeten in Vitrinen, die Schilder und Schwerter ebenfalls.
Einige Leichen wurden zerlegt und untersucht, um mehr über das Leben dieses Volkes in Erfahrung zu bringen.
Die Forscher haben zuerst die Schiffe und dann die Helme und Schwerter geborgen. Nachdem sie sieben Tote aus dem Wasser geholt hatten, beschlossen sie, mit der Bergung der anderen zu warten. Als sie aber nach ungefähr einem Jahr wieder zum Grund der
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