Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Knickerbocker Bande 41 - Die Hand aus der Tiefe

Die Knickerbocker Bande 41 - Die Hand aus der Tiefe

Titel: Die Knickerbocker Bande 41 - Die Hand aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Brezina
Vom Netzwerk:
Der Tod schien auch die Pflanzen umklammert zu haben und nicht loszulassen.
    Lilo war ungefähr zwanzig Meter vom Ufer entfernt und würde bald die Stelle erreichen, an der Axel von der Hand aus der Tiefe berührt worden war.
    Bei jedem Tempo gingen von ihr Wellenringe aus, die größer und größer wurden. Sie waren die einzige Bewegung auf der glatten Oberfläche.

Von Sekunde zu Sekunde wuchs Lieselottes Anspannung. Sie gestand es sich nicht gerne ein, aber sie hatte große Angst.
    Sie drückte das Kinn an die Brust und starrte ins Wasser. Falls die Hand auftauchte, wollte sie ihr rechtzeitig ausweichen können. Sie starrte in das Schwarz und schwamm dabei vorsichtig weiter.
    Nichts, sie konnte nichts erkennen, aber sie sah auch höchstens zwanzig oder dreißig Zentimeter weit nach unten.
    Die Hand überraschte das Superhirn. Sie erschien nämlich nicht aus der Tiefe, sondern sauste wie ein Raubvogel von oben auf Lieselotte herab. Lilo wurde an der Schulter gepackt und untergetaucht. Die Hand schob sie in das Dunkel hinab. Das Wasser schlug über dem Mädchen zusammen, und es versank in der todbringenden Finsternis.
    Die Finger der Hand brannten wie Feuer, obwohl sie aus purem Eis zu bestehen schienen. Lilo konnte sich schon die roten Male vorstellen, die sie auf ihrer Haut hinterlassen würden. „Als ob dir das Blut in den Adern gefriert...“
    Wie ein tonnenschweres Gewicht drückte die Hand Lieselotte zum Meeresgrund. Auch sie sollte dort unten ihr Grab finden, in den Algen, die sich ihr entgegenstreckten.
    Immer fester umschloß sie die Hand. Der Griff tat Lilo schrecklich weh. Am liebsten hätte sie vor Schmerz aufgejault.
    Lieselotte ging die Luft aus. Sie würde ertrinken!
    Die Hand schüttelte sie. Lieselotte hatte das Gefühl, zu platzen. Der Druck des Wassers in der Tiefe, die eiskalte Hand, der Sauerstoffmangel und die Ausweglosigkeit waren wie Dynamit. Sie öffnete in Panik den Mund. Zu spät fiel ihr ein, daß nun Wasser in ihre Lungen dringen würde.
    In ihrer Brust braute sich ein Schrei zusammen. Und plötzlich konnte sie ihn auch ausstoßen. Er barst wie eine Explosion aus ihrem Hals.
    Wo blieben die Luftblasen? Aus ihrem Mund kamen keine Luftblasen! Nur der Schrei.
    Sie war tot.
    „Lieselotte!“ hauchte ihr eine Stimme ins Ohr. „Lieselotte!“
    Lilo mußte an das grelle Licht denken, von dem sie gehört hatte. Fast alle Menschen, die dem Tod ins Auge gesehen hatten, erzählten von einem gleißenden Licht. Das Licht war da. „Lilo!“ hörte sie die Stimme wieder. Neben dem Licht tauchte eine Haarsträhne auf. Es waren rote Haare.
    „Haben Engel rote Haare?“ fragte sich Lieselotte.
    „Lilo! Bist du okay?“ wisperte jemand. Inga stand neben Lilos Bett. Sie hatte eine Taschenlampe in der Hand und leuchtete damit dem Superhirn ins Gesicht.
    Lieselotte war nicht noch einmal in der Schwarzen Bucht gewesen. Sie hatte einen Alptraum gehabt - einen Alptraum, der schrecklich wirklich gewesen war.
    Das lange T-Shirt, das Lilo trug, klebte an ihrem Rücken. Sie war völlig naßgeschwitzt. „Was ist denn los?“ lallte sie.
    Das Mädchen kauerte sich neben Lilos Bett und stützte sich auf die Kante. „Ich muß mit dir reden! Bitte! Ich habe kein Auge zumachen können.“
    Lieselotte konnte Inga nicht ausstehen. Sie war seit der Ankunft der Bande vor zwei Tagen unausstehlich.
    „Was gibt’s?“ brummte Lilo verdattert.
    Inga suchte nach Worten. „Ich... ich... es ist so, es tut mir wirklich leid wegen gestern abend. Ihr könnt mich nicht riechen. Und das verstehe ich auch.“
    Lieselotte richtete sich auf. So freundlich hatte sie Inga noch nicht erlebt.
    „Es ist mein Vater: er nörgelt ständig an mir herum. Nichts kann ich ihm recht machen. In der Schule bin ich ihm nicht gut genug. Meine Hobbys findet er dumm, meine Freunde sind ihm zu wenig intelligent. Er hat mich noch nie gelobt. Und andauernd hält er mir Poppi und euch als leuchtendes Beispiel vor. Ich habe Poppi erst zweimal gesehen. Das letzte Mal vor vier Jahren. Aber trotzdem erzählt er mir immer, wie stolz er auf seine Nichte ist und wie entsetzlich er mich findet. Kannst du dir vorstellen, wie das nervt?“
    „Ja! Sehr gut sogar!“ flüsterte Lilo mitfühlend.
    „Nur deshalb war ich so gemein zu euch. Ihr seid schwer in Ordnung. Es tut mir so leid. Kannst du das den anderen erklären? Ich möchte gerne, daß wir Freunde werden. Bitte, gebt mir eine Chance! Ja?“ Inga sah Lilo mit flehenden Augen an.
    „Na klar!“

Weitere Kostenlose Bücher