Die Knoblauchrevolte
Tenne. Ein dattelbraunes Fohlen trappelte am Rande der Tenne hin und her und schnaubte von Zeit zu Zeit laut. Die Sterne funkelten am weit und dicht gespannten Himmelszelt, das weich und zart wie Flaum war. Draußen auf den Feldern knisterte und knackte der kraftvoll wachsende Mais. Alle blickten auf den Blinden. Einige murmelten noch ein paar unverständliche Worte. Zhang Kou richtete sich auf, drehte mit der einen Hand an den Wirbeln der Geige und nahm den Pferdehaarbogen in die andere. Das Pferdehaar strich über die Saiten und brachte ein dumpfes, kratziges Geräusch hervor, das nach und nach immer heller und schöner wurde, bis die Zuhörer ein erwartungsvolles Ziehen in der Brust verspürten. Über Zhang Kous tief eingesunkenen Augen flatterten die Wimpern, er reckte den Hals und drehte das magere Gesicht nach oben, als wollte er die Sterne am Himmel zählen.
Gao Ma rückte wieder einen Schritt in Richtung Jinjü vor. Er hörte ihr feines Atmen, und er spürte noch deutlicher die Wärme ihres sanft gerundeten Körpers. Behutsam, wie die spitze Schnauze eines scheuen Tiers, tastete seine Hand sich vor. Tante Vier, die neben Jinjü auf einem Stuhl saß, begann zu husten. Ein eisiger Schreck durchzuckte Gao Ma. Er fuhr mit der Hand in die Hosentasche und hob die Schultern, als suche er etwas. Gleichzeitig drehte er sein dem Licht ausgesetztes Gesicht in den Schatten eines kräftigen Mannes.
Die Geige Zhang Kous begann zu weinen, aber es war ein sanftes Weinen, das mit einer leichten, seidenweichen Berührung den Ärger von den Herzen der Menschen nahm, wie man den Staub von der Haut wischt. Zhang Kou riß den Mund übertrieben weit auf. Erst brachte er ein heiseres Krächzen heraus, und dann entströmte diesem weit geöffneten Mund ein lauter, klangvoller Gesang.
»Die Geschichte geht« (und dieses »geht« stieg steil in die Höhe, um dann wieder herabzusinken, langsam, als wollte es, daß alle seinen Weg beobachteten, ihm folgten, wie es dahinglitt, bis an einen Ort, den man sich nur noch mit geschlossenen Augen vorstellen konnte) – »die Geschichte geht, daß der Frühlingswind durch das Dritte Plenum des ZK weht; die Menschen im Paradies sind nicht mehr arm.« Die Geige wiederholte die einfache Melodie. Unter den Zuhörern machte sich verstohlene Heiterkeit breit. Sie lachten, weil Zhang Kou beim Singen den Mund so verzog. Er könnte ein ganzes Brötchen auf einmal verschlingen. Dieser blinde Schweinehund ahnte nicht, wie groß sein offener Mund war. Gao Ma hörte Jinjü kichern, er stellte sich ihr lachendes Gesicht vor. Weil sie lacht, zittern ihre Wimpern. Weil sie lacht, schauen ihre Zähne hervor. Sie blitzen wie gesprungene Jade. Gao Ma konnte sich nicht beherrschen. Er drehte den Kopf und blickte sie unauffällig an. Jinjü folgte dem Vortrag Zhang Kous mit großer Aufmerksamkeit. Ihre Wimpern zitterten nicht. Ihre Lippen waren fest geschlossen. Kein Zahn schaute hervor. Sie wirkte vollkommen ernst. Und der Ernst ihres Gesichtes löste in Gao Ma ein vages Gefühl der Beschämung aus.
»Die Kreisregierung ruft uns auf, intensiv Knoblauch anzubauen. Die Verkaufsgenossenschaft stellt Waagen auf. Für ein Pfund Knoblauchsprossen einen Yüan. Die angekauften Knoblauchstengel wandern ins Kühlhaus; zum Neujahrsfest bringt man sie mit Gewinn zum Verkauf.« Zhang Kou traute sich nicht mehr, den Mund aufzureißen, aber die Leute hatten sich schon daran gewöhnt. Niemand lachte mehr. Man hörte ihm gespannt zu. »In allen Häusern feiert man den Profit aus dem Knoblauchgeschäft. Schweinefleisch gebraten und Mehlfladen mit Lauch. Mutter Zhang hält sich den Bauch, so rund wie ein Kübel – ein Kind ist unterwegs.« Die Leute konnten sich vor Lachen nicht halten. Eine Frau schimpfte: »Zhang Kou, du Mistkerl.« Der älteren Schwester Li wurde der Hintern zu eng, sie ließ einen nach dem anderen fahren. Viele Frauen bogen sich vor Lachen.
Jinjü hatte sich auch einmal so gebogen. Verdammt, Zhang Kou, bleib anständig. Als du dich bücktest, strecktest du deinen runden, festen Hintern in die Höhe, und unter deiner dünnen Hose zeichnete sich der Umriß deiner Unterhose ab. Am hellichten Tage, als du auf dem Feld die Bohnen häufeltest, da hab ich es gesehen. Sing lieber vom »Roten Fels«, Zhang Kou! Ich muß unbedingt deine Hand anfassen, ich bin schon siebenundzwanzig, du bist zwanzig, ich will dich zur Frau. Am hellichten Tag, du hacktest die Bohnen, ich spritzte den Mais. Wegen der Trockenheit war der
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